Montag, 20. August 2012

Leserbriefe


Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 20.8.2012 Leserbriefe zur Lehrerstundenversorgung an den bayerischen Mittelschulen. Den geneigten LeserInnen dieses Blogs sollen sie nicht vorenthalten werden. Wunderbare Krönung ist allerdings die offizielle Stellungnahme des Pressesprechers des KM. Mein ehemaliger Deutschlehrer hätte gesagt: "War nett, aber setzen, leider sechs. Themaverfehlung."

aus der SZ:


Schönrednerei
Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle macht vor, wie man einen Fehler in einen Erfolg umdeutet: Das Ministerium setzt die Prognosen zur Schülerzahl an der Mittelschule viel zu niedrig an und feiert sich dafür, dass diese Prognose falsch ist. Besonders ärgerlich ist, dass die Lehrerstundenzuweisung auf der Basis dieser Prognosen errechnet wird. Die Folge ist klar: Die Personalversorgung an den Mittelschulen im kommenden Schuljahr weist katastrophale Lücken auf.
Kurz vor Ende des Schuljahres verkündete das Kultusministerium noch einmal Jubelnachrichten. ,,Insgesamt werden im nächsten Schuljahr rund 209 000 Schülerinnen und Schüler die Mittelschule in Bayern besuchen. Das sind rund 14 000 mehr als 2011 erwartet", heißt es in einer Pressemitteilung. Kultusminister Spaenle setzte nach: ,,Durch die Mittelschule haben wir den negativen Trend der Schüler Entwicklung an den Hauptschulen gestoppt."
Solche Aussagen machen kritische Zeitgenossen baff. Sollte Spaenle geschafft haben, woran sämtliche Vorgänger gescheitert sind? In der langfristigen Betrachtung nicht. Die Prognosen liegen seit Jahren unter den tatsächlichen Schülerzahlen. Trifft die Prognose einmal nicht zu, ist das dem Kultusministerium eine Erfolgsmeldung wert. Tatsächlich sinken die Schülerzahlen unaufhaltsam. Im Schuljahr 2010/11 besuchten noch 220 000 Schülerinnen und Schüler die Mittelschule, 2011/12 waren es 214 500 und ·im kommenden Schuljahr werden es nur noch 209 000 sein. Zur Erinnerung. Im Schuljahr 2000/01 drückten noch 323 1094 Kinder und Jugendliche an den Hauptschulen die Schulbank. Diese Zahlen sprechen für sich.
Noch viel ärgerlicher ist allerdings, dass die zu niedrig angesetzte Prognose zu einer massiven Verschlechterung der Unterrichtsversorgung im kommenden Schuljahr führt. Denn die Stellenzahl orientiert
sich an der Prognose. Im April legte das Ministerium fest, dass Mittelschulen pro Schüler 1,81 Lehrerstunden zugewiesen bekommen. Jetzt wurden die Schulämter informiert, dass pro Schüler nur noch 1,71 Lehrerstunden zur Verfügung ständen. Damit wird es schwer, überhaupt den Pflichtunterricht abzudecken. Die Mittelschulen werden jetzt Opfer ihres vom Kultusministerium so heftig bejubelten Erfolgs. Hilfe dürfen sie von dort nicht erwarten, denn Spaenle reagiert in gewohnter Manier: Er weist alle Vorwürfe zurück, leugnet die Fakten und redet sich (und dem Wahlvolk) die Welt schön.                                                                             Dr. Fritz Schäffer, München


Kreativität ist gefragt
,,Der Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen sei so groß, dass der Unterricht nur mit Mühe sicherzustellen sei." Dieser Satz ist purer Euphemismus. Schon im vergangenen Schuljahr konnte bei einer Zuweisung von 1,8 Lehrerstunden pro Schüler der amtliche Stundenplan nur mit Mühen aufrecht erhalten werden. Im kommenden Schuljahr liegt, der Schlüssel bei 1,7. Wo soll noch gekürzt werden? Die AGs, die die Schulen ausweisen, finden nur noch im gebundenen Ganztag statt, die Regelklassen gehen leer aus. Die Kreativität der Schulleiter ist gefragt: Sport und differenzierter Sportunterricht können ruhig 14-tägig erteilt werden, ebenso Religion und Ethik. Dann legen wir mal Kunst und Musik an die Randstunden oder in den Nachmittag und halten den Unterricht ebenfalls alle zwei Wochen. Die im Rahmen der Hauptschulinitiative ausgedachte und hoch gepriesene Modularisierung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch  - ebenfalls in der Stundentafel für die fünfte bis siebte Klasse vorgeschrieben - fällt einfach unter den Tisch. Und schon haben wir den Faktor 1,7. Es verwundert, dass Handel, Handwerk und Industrie sich so still verhalten. Dort werden doch Auszubildende gesucht, und zwar im Lesen, Schreiben und Rechnen gut ausgebildete, mit ein paar Sozialkompetenzen dazu.

                                                                                        Jürgen Walther, München

Planlosigkeit, Hilflosigkeit
Nach 26-jähriger Tätigkeit in der bayerischen Schulaufsicht stelle ich fest, dass sich im Blick auf die sich immer wieder jährenden administrativen Unzulänglichkeiten bei der Klassenbildung an unseren Schulen nichts, aber auch gar nichts geändert hat. Seit Jahrzehnten fehlen Lehrer und Stunden, profilbildenden Projekten droht das Aus. Sie werden häufig zu Reformruinen. Lehrer, Schulleiter und Schulräte schlagen Alarm - inzwischen öffentlich. Seit Jahrzehnten das gleiche Bild: Planlosigkeit, Unsicherheit, Hilflosigkeit, Wut.
Die Verantwortlichen scheinen aus den sich jährlich wiederholenden desaströsen Zuständen nichts gelernt zu haben. Dabei ginge es doch auch anders. Warum ist es nicht möglich, frage ich mich, die Personalplanung für das kommende Schuljahr am Ende eines Schuljahres nahezu abzuschließen? Prüfungstermine lassen sich
ändern. Warum ist eine einigermaßen professionelle Personalplanung nicht möglich? EDV-Systeme lassen sich kompatibel gestalten. Warum können erfolgreiche Schulprogramme nicht weitergeführt werden? Schulprogramme müssen verlässlichsein können und haben als ,,Markenzeichen" einer Schule Vorrang zu genießen!
Voller Erschütterung und voller Hochachtung zugleich las ich das Interview mit der mutigen Rektorin Andrea Schöffel. Ihrer zentralen Aussage, wonach sie ihre Schule nicht mehr so leiten kann, dass es Kindem, Lehrern und ihr dabei gut geht, sollten sich möglichst viele Menschen, die mit Schule zu tun haben, stellen. Endlich!

                                                                                 Heinz Kreiselmeyer, Ansbach



Erfolgsmeldung
Die Qualität des bayerischen Bildungswesens wird vom Bildungsmonitor bestätigt. Bayern rangiert mit Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg in der Spitzengruppe. Zugleich schlägt sich in der jüngsten Veröffentlichung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft das Handlungsfeld nieder, das Bayern auf der Grundlage der Initiative Aufbruch Bayem konsequent angeht: den Ausbau von Ganztagsschulen - bedarfsorientiert und flächendeckend. Die Qualität von Schule und Unterricht spielt für den Minister die zentrale Rolle bei der Förderung der jungen Menschen. Allein zum kommenden Schuljahr erhöht Bayem die Anzahl der offenen Ganztagsgruppen an den Schulen um rund 300 auf dann mehr als 3650. Die Anzahl der gebundenen aufeinander folgenden Ganztagsklassen an Schulen erhöht sich zum neuen Schuljahr um über 150. Dann bestehen an mehr als 1000 Schulstandorten gebundene Ganztagszüge. Zusätzlich werden die
Mittagsbetreuung und die verlängerte Mittagsbetreuung an Grund- und Förderschulen um über 560 Gruppen auf dann über 6000 Gruppen ausgeweitet. Im Bildungsmonitor wird positiv angemerkt, dass beste Startchancen für einen erfolgreichen Übergang in den Arbeitsmarkt bestehen, entsprechend hoch ist die Ausbildungsquote und die Erfolgsquote der Jugendlichen.
                                       Dr. Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums, München

Sonntag, 19. August 2012

"Importierte Azubis"

Das ist die Überschrift im bayerischen Wirtschaftsteil der SZ vom 17.8.2012. Azubis aus Bulgarien wurden jetzt in Niederbayern für Ausbildungsberufe am Bau eingestellt, 25 an der Zahl und in Nürnberg junge Spanier für Pflegeberufe.
Das wirft verschiedene Fragen auf.
Zum einen zeigt es, wie groß der Druck in diesen Ländern sein muss, dass junge Leute ihre Heimat verlassen, ohne Sprachkenntnisse, um weit weit weg von zu Hause einen Beruf zu erlernen.
Zum andern ist zu befürchten, dass nach der Lehre Löhne gezahlt werden, die weit unter den in der BRD üblichen liegen. Schon jetzt verrichten Arbeitsemigranten aus dem Osten und Süden Europas Arbeiten, die sonst niemand tun würde, zu Dumpingpreisen und zur Freude der Unternehmer.
Es gibt immer noch Tausende schwer oder nicht vermittelbare Jugendliche im Land, Jugendliche, die u.a. nicht genügend qualifiziert sind, eine Lehre anzutreten.
Warum lassen Industrie, Handwerk und Handel zu, dass im sekundären Bildungsbereich weiter Stunden gekürzt werden?

Freitag, 10. August 2012

"Der nächste Brandbrief"

...betitelt die SZ vom 10.8.2012 einen Artikel von Martina Scherf.
"Nach den Rektoren wenden sich nun auch die Schulräte an Kultusminister Spaenle und beklagen die 'extrem schwierige Situation': Der Lehrermangel an den Grund- und Mittelschulen sei so groß, dass der Unterricht nur mit Mühe sicherzustellen sei."

Der letzte Satz ist purer Euphemismus. Vergangenes Schuljahr war der Unterricht nur mit Mühe sicherzustellen, da gab es pro Schüler 1,8 Lehrerstunden. Damals konnte der reguläre Stundenplan mit Müh und Not eingehalten werden, ohne AG-Angebot für die Regelklassen. AGs konnte man nur im rhythmisierten Ganztag anbieten.
Für das kommende Schuljahr wurde die Stundenzuweisung pro Schüler auf 1,7 herabgesetzt.
Sportunterricht 14tägig, keinen differenzierten Sport mehr (obwohl vorgeschrieben), Religion und Ethik alle zwei Wochen nur und Mathematik, Deutsch und Englisch an die Randstunden. Dann können auch diese Fächer alle 14 Tage gehalten werden.
Es wundert, dass Industrie, Handwerk und Handel keinen lauten Aufschrei tun. Dort fehlen die Auszubildenden, und zwar die schulisch gut ausgebildeten.

Dienstag, 7. August 2012

Respekt und Gratulation, Frau Schöffel!

"Ich kann unter diesen Bedingungen die Schule nicht leiten", so wird Frau Schöffel, die Schulleiterin der Grundschule in Graben bei Ausgsburg, von der SZ (7.8.2012, Bayernteil) zitiert.
Die Gründe hierfür fasst sie folgendermaßen zusammen:

SZ: Wo genau liegen die Probleme?
„Die Zuteilung der Lehrer war dieses Jahr so, dass ich bis zum Beginn der Ferien keinen vernünftigen Unterricht für das kommende Jahr organisieren konnte. Die Zahl der Stunden für Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag wurde mir im Lauf der Zeit von acht auf nur noch drei gekürzt. Gleichzeitig sollen die Schulleiter immer mehr Aufgaben übernehmen: Wir müssen zum Beispiel seit einiger Zeit die Lehrer im Unterricht besuchen und beurteilen. Früher hat das ein Schulrat oder eine Schulrätin gemacht. Außerdem sollen wir Mitarbeitergespräche führen, Projekte mit der Jugendsozialarbeit koordinieren und stärker mit den Kindergärten kooperieren. Alle drei bis fünf Jahre gibt es eine Evaluation, bei der alles bis ins Detail öffentlich dargelegt wird. Außerdem sollen wir natürlich die Schule und die Unterrichtsmethoden weiterentwickeln - und das alles mit einem Team, das ständig wechselt“.

So geht es einem, wenn man/frau SchulleiterIn einer Grund- oder Mittelschule in Bayern ist. Vielleicht haben wir uns schon zu sehr an diese Verhältnisse gewöhnt, die Verschlechterungen kommen ja nicht auf einen Schlag, sondern nach und nach und teilweise schleichend.
Unterstützung?
Die gibt es kaum. Die großen Verbände sind mit der Schulverwaltung und der Regierung "verbandelt", also ist von dieser Seite wenig zu erwarten.
Der Schritt von Frau Schöffel war konsequent. Weitere SchulleiterInnen werden folgen.
Gratulation.