Sonntag, 7. April 2013

Stolpersteine in Friedenau

Die letzte Woche der Osterferien verbrachte ich bei Freunden in Berlin-Friedenau, einem städtebaulich sehr interessanten Stadtteil mit regem kulturellen Leben seit Anfang des 20. Jahrhunderts.
Ende März wurden dort Stolpersteine verlegt. Das macht der Kölner Künstler Gunter Demnig oder von ihm autorisierte Personen seit 1997.
Am Tag nach der Verlegung waren die Steine geschwärzt.


 Tags darauf hatten die Anwohner die beschmutzten Steine wieder gereinigt.


In München gibt es Stolpersteine nur auf Privatgrund.
Aus einem Brief von Herrn Ude:

"Der Münchner Stadtrat hat die Aktion Stolpersteine am 16. Juni 2004 mit einer überwältigen-den Mehrheit abgelehnt. Diese ablehnende Haltung wurde wie folgt begründet
- Der Stadtrat will der Holocaust-Opfer an herausgehobener Stelle gedenken und nicht im Straßenschmutz. Über die Stolpersteine geht der Alltagsverkehr im Wortsinn tagtäglich hinweg. Der Stadtrat will keine Form des Gedenkens, die im Alltag mit Füßen getreten
wird.

- Der Stadtrat will sämtlicher Opfer gedenken und nicht einiger weniger. Die Stolpersteine hingegen greifen von Tausenden Opfern in München nur einige Dutzend oder bestenfalls einige Hundert heraus.
- Der Stadtrat will grundsätzlich sicherstellen, dass Gedenkstätten im öffentlichen Raum niemanden von den Betroffenen in seinen Gefühlen verletzen. Bei den Stolpersteinen ist definitiv bekannt, dass viele jüdische Menschen sie als unangemessene Würdigung im
Straßenschmutz und herabsetzende Form des Gedenkens empfinden.

- Der Stadtrat verfolgt seit Jahren das Ziel, gerade das Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltverbrechen im demokratischen Konsens zu gestalten, wie es bei verschiedenen hier in München verwirklichten Projekten auch bereits gelungen ist.
Im Übrigen teilen auch die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Frau Charlotte Knobloch, sowie die Israelitische Kultusgemeinde München die Haltung des Münchner Stadtrats.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ihr Christian Ude"  (Link: http://direktzu.muenchen.de/ude/messages/stolpersteine-20816)

8 Kommentare:

  1. Über die Begründung der Münchner bezüglich der Nichtverlegung von Stolpersteinen bin ich verwundert. Ich hätte mir vorgestellt, dass man Unfallgefahren anführen würde. Beispielsweise: Eine Person liest den Text am Boden, die nächste prallt dagegen usw. Aber es werden jüdische Persönlichkeiten genannt. Tatsächlich wäre es armselig, wenn den Münchnern nichts einfiele außer den Bodenplatten. So lässt sich Geschichte nicht aufarbeiten, da kann man es tatsächlich ganz sein lassen. Ich kenne die Stolpersteine aus einer anderen deutschen Stadt und betrachte sie als Spuren einer anderen Generation, die aber für unserere heutige Identität wichtig sind, gelebte Geschichte. Augen auf! Stell dir vor wie es war! Welcher Jugendlicher kennt denn die Geschichte der kümmerlichen Grünanlage hinter dem Rathaus?

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    1. Stimmt.
      Aber auch welcher Erwachsene kennt die Geschichte des Marienhofs?
      Stolpern über:
      Das wäre auch kein Argument, da über die mittlerweile etwa 37.000 Stolpersteine in der Welt noch niemand gestolpert oder gefallen oder gar über jemand anderen gefallen ist.

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  2. Vielleicht käme man auch aus dem Stolpern gar nicht mehr heraus.

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    1. Wie bitte? Was ist denn das für ein Kommentar?

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    2. Oha, das war ironisch gemeint. Die Begründung, warum in München nicht mit Stolpersteinen zu rechnen ist, ist so vordergründig, dass man sich eigentlich nur mit Ironie retten kann.

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  3. Finde ich sehr schade.
    Hier in Hildehausen gibt es Stolpersteine. Und gerade die Argumente, die Herr Ude gegen die Steine bringt, würde ich FÜR sie verwenden. Ja, man tritt sie mit Füßen. Und vielleicht denkt man dann darüber nach und ist beim nächsten Mal etwas achtsamer. Ja, es sind nur wenige Menschen von zu vielen, die umkamen. Aber es ist wichtig zu wissen, dass in genau diesem oder jenem Haus, in dem sich gerade die xte Billigmodekette breit macht, mal eine jüdische Familie gewohnt hat, die zwangsenteignet wurde und deren Nachfahren das Haus nie mehr zurück bekamen.

    Gruß
    Frau Hilde

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    1. Schon dass sich so viele Personen gerade mit dieser Thematik engagiert und emotional auseinandersetzen zeigt, dass die Stolpersteine durchaus Sinn ergeben. Womöglich überkommt den Menschen, der gerade zum Shoppen wollte ein Unwohlsein oder womöglich Trauer, weil genau am Geschäftseingang Menschen grässlich ums Leben kamen oder weil Menschen hier einfach enteignet, nie entschädigt und andere Menschen jetzt Geschäfte machen. Womöglich macht man sich Gedanken über Schicksale und Unrechtsstaaten (Augen und Hühneraugen zu: wir gehören nicht dazu) und womöglich vergeht einem die Lust an momentanem hemmungslosen, gedankenlosen Konsum. Das entspricht nicht unseren Marktgesetzen, also nicht etwas anregen wo in unserer Welt kein Platz ist, was auch unangenehm ist und die heile Welt ankratzt. Aus dem Blick aus dem Sinn!

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  4. "genau am Geschäftseingang Menschen grässlich ums Leben kamen"
    Das wohl weniger, aber hier "verhaftet" und "verfrachtet" wurden und in den Lagern massakriert.

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