Sonntag, 27. Februar 2022

Tag 708 (Tag 4 des Kriegs) und Beitrag 19 der Schulleiterfreundin und ein Lichtlein für Schüler*innen

Lieber Hauptschulblues!

Bei uns hat es -10°C und dazu einen Wind, der alles noch eisiger macht.
Ich brauche die Faschingswoche so dringend, das kannst Du mir glauben. Nicht zu fassen, was wir aushalten müssen. Aber es gibt auch erhebende Dinge.

An der Schule haben wir ein Eventteam. Das ist prima. Da plant man zum Beispiel Faschingsaktivitäten. Zur Zeit lehrer*innenfreundlich, da in der Pademie sowieso schon jede/r auf dem Zahnfleisch daher kommt. Ganz zu schweigen von den Coronaausfällen im Kollegium. Aber die Kinder und Jugendlichen brauchen auch etwas Schönes in dieser Zeit!
Am Mittwoch wurden Stände mit Leckereien aufgebaut. Die Pausenhalle wurde dekoriert. Alle Klassen beteiligten sich eifrig. Eifersüchteleien konnten schnell geklärt werden. Beispiel: "Wir haben zuerst angemeldet, dass wir Waffeln backen, warum macht das jetzt die Klasse xy auch?" Am Donnerstag nun, streng nach Coronavorschrift mit klassenweisem Zutritt zum Start des Faschingsevents, kam endlich und alle sehnten sich doch so sehr danach - endlich, endlich etwas gute Feierstimmung zustande.

Nahezu alle Schüler folgten dem klasseneigenen Motto und verkleideten sich witzig. So stolperten Knaben der 8. Klasse auf Stöckelschuhen, streng nach dem Motto "Tausch der Geschlechter" durch die Gänge. Einem Knaben rutschte ständig der Busen aus Äpfeln nach unten. In einer 5. Klasse gab es kleine "Gangster", die mit Bärtchen und Schokozigarette posierten und sich in ihren schwarzen Anzügen fotografieren ließen.
Alles war friedlich und ich schaute, meiner Nase folgend, wo gerade die Waffeln eine dunkle Knusperbräune erhielten.

Die Lehrer*innen waren teilweise kaum mehr zu erkennen. Maske, rosa Langhaarperücke und
schwarzer Umhang machen eine Identifizierung schwer. Eine Jury, bestehend aus Schulleitung und Lehrer*innen, zeichnete die originellsten Kostüme aus. Die Schüler mussten sich in ihrer Rolle vorstellen und posierten dann in einem Holzrahmen für ein witziges Foto. Natürlich im Einklang des strengen Datenschutzes. Das war richtig kreativ und so lernt man seine Schüler*innen von einer ganz anderen Seite kennen.

Sieger wurden drei Schüler, die sich als Ritter verkleidet hatten mit sämtlichen Utensilien. Auf weißen Shirts hatten sie tatsächlich selbst Metallplättchen aufgenäht. Mit Helm, Schwert, und Handschuhen sahen sie wirklich wie Ritter aus und sie spielten uns eine ganze Szene vor. Wow.
Nun, natürlich gibt es noch einen Wermutstropfen. Eine Schülerin der 8.Klasse, nicht unbedingt selbstbewusst, hatte sich in ein Dinokostüm gezwängt. Das Kostüm war sehr auffallend. Es wurde aufgeblasen übergestülpt und dann war man doch ziemlich in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Der Kopf des Dinos stülpte sich über den Kopf des Trägers, der bedornte Schwanz schleifte auf dem Boden. Das Mädchen bewegte sich ungelenk Richtung Aula, eine Mitschülerin trug den Schwanz. Nicht lange. Die kleinen Gangster mit den aufgemalten Bärtchen sahen das exotische Reptil und stürzten sich sofort darauf. Sie sprangen den Dino von hinten an und gaben ihm einen "Klaps" auf den Hinterkopf, wohlgemerkt auf den Kopf des Dinos. Die Klapse steigerten sich und die Trägerin, die kaum Sichtkontakt hatte, goutierte das gar nicht. Verständlicherweise.
Heute endlich kam ich den kleinen Möchtegerngangsters auf die Spur. Im Trubel wurden alle möglichen Schüler beschuldigt, daher verfolgte ich erst heute die Spuren. So hatten die Knaben einer 5. Klasse, alle fanden das Dinokostüm total toll, ihre Begeisterung durch die Klapse und auch etwas heftiger "Schläge" ausgedrückt. Alle sprachen vom "Dino" und hatten total verdrängt, dass ein MENSCH unter dem Kostüm war. Wie tragisch. Sie beteuerten, das Mädchen niemals angerührt zu haben - nur den Dino. Eine Menge Aufklärungsarbeit.

Um 14 Uhr saß ich schon etwas erschöpft vor dem PC, verfluchte den Fasching insgesamt und schaute noch die ungelesenen Mails an. Es klopfte. Ein Sportlehrer wollte mir ein Foto zeigen. Sehr interessant.
Es zeigte eine Matratze mit einem rosafarbenen Bettbezug, sauber zwischen Wand und Pferd im Geräteraum aufgestellt. Frage: Wie kommt das dahin und wer braucht sowas? Am Nachmittag ab 17 Uhr sind beide Hallen durchgehend von Vereinen , von der Stadt bekommen sie auch Schlüssel. Immerhin ordentlich aufgestellt, ist womöglich ein Lob fällig? Schluck. Oder muss man seine Fantasie spielen lassen? Ich machte eine Durchsage an den Hausmeister. Dieser kam und starrte schweigend und sprachlos auf das Foto. "Das ist eine Matratze." Stimmt.
"Warum steht die da?" Ja, warum? Er wollte sich die Sache vor Ort ansehen. Soll er. Das klingt jetzt blöd, aber ich hatte so die Nase voll, dass ich um Verständnis bat und darum per Mail über die Lösung
aufgeklärt zu werden. Tja, die Lösung kann ich hier nun noch nicht bieten. Ich fuhr nämlich heim. Feierabend und eine Woche Ferien!

Wie drückte sich der Gazprommanager ein ehemaliger Bundeskanzler aus? "Lehrer - die faulen Säcke". Muss ich ein schlechtes Gewissen haben? So sind wir nämlich ausgebildet. Beruhigung! Immerhin kennen Lehrer ihr Klientel und versuchen ihm moralisches und demokratisches Gedankengut zu vermitteln.
Da tut sich dieser Herr schwer, wie es gerade in diesen schwierigen Zeiten herauskommt, somit hat er wohl nicht seine Aufgaben gemacht. Ich schon!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn Sie auf dem Blog kommentieren, werden die eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung.