Souchy war ein deutscher Anarchist und Antimilitarist, der ab 1966 ein gesuchter Zeitzeuge war und 1984 in München starb.
Quelle: https://www.anarchismus.at/
Augustin Souchy - Warum? (Antimilitaristisches Flugblatt, 1915)
Jahr hat der große europäische Krieg gedauert. Bis jetzt ist die Lage
im großen und ganzen so, daß wir noch nicht sagen können, wann Friede
geschlossen wird. Tausende, Millionen von Menschenleben: junge,
blühende, hoffnungsvolle Menschen, samt Millionen und abermals Millionen
materiellen Wertes sind im jetzigen Kriege vernichtet worden.Unzählige
Opfer sind dem Krieg gebracht worden. Unaussprechliche Trauer legt sich
schwer und drückend über tausende Familien. Mütter, Frauen und Töchter,
denen der Krieg noch mehr Elend und Entbehrungen auferlegt als sonst,
fragen sich: warum müssen unsere Väter, Söhne und Männer sich töten
lassen?
Das Elend wird größer, die Staatsschulden der
verschiedenen Länder steigen mehr und mehr, und bald wird Europa in
einem Abhängigkeitsverhältnisse zu Amerika stehen. Jetzt ist es Zeit zu
fragen: warum all dies? Warum dieses grenzenlose Vernichten von
Menschenleben und materiellen Werten? Jetzt ist es an der Zeit, daß wir,
deutsche Arbeiter und Bauern, diese Frage an uns richten. Denn wir sind
es, die während des Krieges und nach dem Kriege die größten und
schwersten Lasten tragen müssen. Das Geld, um die ungeheuren Schulden
der Länder, die Zinsen, den Unterhalt für Invaliden und Witwen zu
zahlen, muß aus den Steuern herausgeschlagen werden. Und das arbeitende
Volk, die Arbeiter und Bauern, sind es, die all dies bezahlen müssen.
Ja, man kann ruhig sagen: Alles bestreiten müssen, denn es gibt in
unserem Lande Leute, die Geld und sogar viel Geld durch den Krieg
verdienen.
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Ist es
wahr, was der große Eisenindustrielle Thyssen sagte, als über die
kaiserlichen Kriegsreden gesprochen wurde, daß diese dazu dienen, das
Parlament zu bewegen, neue Aufträge an die Kruppschen Fabriken zu
bewilligen? Je größer die Kriegsrüstungen, desto größer werden
selbstverständlich die Profite. Während des Krieges hat die Firma Krupp
ihr Aktienkapital erhöht von 180 auf 250 Millionen Mark. Es ist teuer,
zu töten. Jeder Soldat, der im jetzigen Kriege getötet wird, kostet über
50.000 Mark.
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Man
sagt uns, daß der jetzige Krieg ein Verteidigungskrieg ist. Aber alle
Staaten behaupten ihrerseits dasselbe. Alle sind angegriffen, niemand
ist der Angreifende. Wem soll man glauben?
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Sind wir, die arbeitenden Klassen, in den
verschiedenen Ländern Feinde? Nein, müssen wir uns sagen! Wir sind keine
Feinde! Wenn es auf uns ankommen würde, so wäre ein Krieg gänzlich
ausgeschlossen.
Wir haben trotz alledem alles geopfert und haben
jetzt das Recht, daß unsere Stimme gehört wird. Wir fragen uns: Was ist
die Absicht der Regierung? Die Grenzen des Landes sind ja frei von
Feinden. Ist es die Absicht der Regierung einen Eroberungskrieg zu
proklamieren? Wir verlangen, Bescheid zu bekommen, warum der Krieg
fortgesetzt wird! Wenn irgend ein Land ein Friedensangebot machen kann,
so ist die Lage Deutschlands so günstig, da es im Lande keine Feinde
gibt.
Es ist höchste Zeit, daß das sinnlose Menschenschlachten
aufhört! Arbeiter aller Länder sehnen sich nach Frieden. Alle fangen
jetzt an einzusehen, daß sie Opfer einer verbrecherischen Politik, daß
wir alle Material für Geld, Ehre und Ruhm der Herrschenden sind.
Wir,
die Arbeitenden in Europa und in der ganzen Welt sind keine Feinde,
sondern Freunde, wir sind nicht die Schuldtragenden an dem Kriege, dem
großen Verbrechen gegen Menschheit und Kultur.
Wir wollten und
wollen Friede, Freiheit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit, die wir im
Sozialismus und einer freien sozialistischen staatslosen
Gesellschaftsordnung finden.
Auf zum Kampf für Friede und Freiheit!
Krieg dem Kriege!
Eine Gruppe deutscher Arbeiter
Durch die Partei der Jungsozialisten Schwedens
Stockholm 1915
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