Mittwoch, 20. April 2022

Tag 760 (Tag 56) und ein Schweizer Beitrag über Irina Gen

Ein Beitrag von nau.ch, der dankenswerterweise ganz übernommen werden durfte:

Irina Gen unterrichtet Englisch und Deutsch in der russischen Stadt Pensa. Am 18. März fragten ihre 13- und 14-jährigen Schüler, warum russische Athleten von weltweiten Wettkämpfen ausgeschlossen worden sind.

Die 55-Jährige antwortete darauf: «Solange Russland nicht anfängt, sich zivilisiert zu verhalten, wird die Nichtzulassung russischer Athleten zu Wettkämpfen für immer bestehen bleiben ... Ich denke, das ist richtig».

Sie führte ihre Kritik aus: «Russland wollte Kiew erreichen und die Regierung stürzen! Die Ukraine ist in der Tat ein souveräner Staat, es gibt eine souveräne Regierung ... Wir leben in einem totalitären Regime. Jede abweichende Meinung wird als Verbrechen betrachtet.»

Gleichzeitig verurteilte die Lehrerin das Vorgehen russischer Staatsmedien im Ukraine-Krieg. Diese hätten die Bombardierung eines Entbindungsheims in der ukrainischen Stadt Mariupol als Provokation ukrainischer Art dargestellt.

Was Gen zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht wusste: Ihre Äusserungen wurde von ihren Schülern aufgezeichnet. Was nun ein böses Nachspiel nach sich ziehen könnte.

Ukraine-Krieg
Der russischen Lehrerin Irina Gen droht eine zehnjährige Haftstrafe, nachdem sie im Unterricht Russlands Verhalten im Ukraine-Krieg verurteilte. - Twitter/@guardian

Die Audioaufnahme wurde zuerst von Kreml-nahen Telegram-Kanälen geteilt. Dann, nach fünf Tagen, wurde Gen vom russischen Geheimdienst auf ihre Anti-Kriegs-Rede angesprochen. Gegenüber dem «Guardian» erzählt Gen: «Ich war schockiert. Ich hatte keine Ahnung, dass ich aufgezeichnet wurde.»

Ende März wurde eine kürzlich eingeführte Verordnung gegen die 55-Jährige eingeleitet. Diese bestraft die Verbreitung vorgetäuschter Informationen über das russische Militär im Ukraine-Krieg.

Seitdem wurde Gen mit einem Ausreiseverbot belegt. Im schlimmsten Fall droht ihr eine zehnjährige Haftstrafe.

Trotz allem ist Gen, die mittlerweile nicht mehr als Lehrerin arbeitet, nicht wütend auf ihre Schüler: «Ich gebe meinen Schülern keine Schuld; sie folgen einfach dem, was ihre Eltern denken und die ihnen sagen, was sie tun sollen.» Sie ist überzeugt, dass die Kinder von ihren Vätern und Müttern unterstützt worden seien, sie wegen ihrer Rede anzuzeigen.

 Die extrem belastende Lage, in der sich Gen derzeit befindet, beschreibt sie mit: «Diese Situation ist schrecklich. Sie war für mich persönlich sehr hart. Aber es ist auch verrückt, zu sehen, wie Menschen, die ich für Freunde halte, Russland in diesem Konflikt unterstützen.»

Bereits früh machte Moskau klar, dass abweichende Stimmen im Schulsystem nicht geduldet werden. Seit dem 1. März wurden daher neue Kurse eingeführt. In diesen soll Schülern erklärt werden, warum Russland gezwungen war, Krieg gegen «ein faschistisches Regime in der Ukraine» zu beginnen.

2 Kommentare:

  1. In allen totalitären Staaten ist es üblich sich gegenseitig auszuspitzeln: Kinder gegen Eltern und Lehrkräfte, Kollegen, Nachbarn... Es wird ein Klima der Angst und ständigen Bedrohung geschaffen. Jahrzehntelang wird das von anderen Staaten ignoriert. Geschäftssinn? Mangelndes Demokratieverständnis? Lange wurde Putin von einem deutschen Politiker, der sich doch eigentlich in demokratischen Grundsätzen auskennen sollte, als großer Demokrat verehrt. Gruselig!

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  2. Unter den Nazis war meine Mutter Grundschülerin. Sie hat einmal erzählt, dass sie vom Dorfschullehrer gefragt wurde, was ihre Eltern über Hitler dachten. Sie war zu klein, um zu begreifen, was das bedeutete, wusste aber schon, dass sie zu diesem Thema nichts sagen durfte.

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