Mittwoch, 27. Juli 2022

Tag 856 mit Corona (Tag 152 des Krieges) und ein Gedicht von Peter Huchel

Die Reihe der Antikriegsgedichte wird fortgesetzt. Nicht regelmäßig, aber ab und an.

Peter Huchel war Lyriker und Herausgeber von Sinn und Form. Unter seiner Leitung war diese Literaturzeitschrift der DDR unabhängig. Das Gedicht „An taube Ohren der Geschlechter“ ist 1961 entstanden, aus Anlass des Mauerbaus und der Atomwaffenversuche der UdSSR. Huchel, der seit den frühen 60er Jahren als Dissident galt, konnte 1971 die DDR verlassen. Er starb 1981 in Staufen im Breisgau.

An taube Ohren der Geschlechter

Es war ein Land mit hundert Brunnen.
Nehmt für zwei Wochen Wasser mit.
Der Weg ist leer, der Baum verbrannt.
Die Öde saugt den Atem aus.
Die Stimme wird zu Sand
Und wirbelt hoch und stützt den Himmel
Mit einer Säule, die zerstäubt.

Nach Meilen noch ein toter Fluß.
Die Tage schweifen durch das Röhricht
Und reißen Wolle aus den schwarzen Kerzen.
Und eine Haut aus Grünspan schließt
Das Wasserloch,
Als faule Kupfer dort im Schlamm.

Denk an die Lampe
Im golddurchwirkten Zelt des jungen
Afrikanus :
Er ließ ihr Öl nicht länger brennen,
Denn Feuer wütete genug,
Die siebzehn Nächte zu erhellen

Polybios berichtet von den Tränen,
Die Scipio verbarg im Rauch der Stadt.
Dann schnitt der Pflug
Durch Asche, Bein und Schutt.
Und der es aufschrieb, gab die Klage
An taube Ohren der Geschlechter.

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