Samstag, 3. Dezember 2022

Tag 985 mit Corona (Tag 281 des Krieges) und Schulleitersfreundin Nachtrag

Die Schulleiterfreundin hatte sich vor Tagen zu den Anstellungsbedingungen der Seiteneinsteiger:innen geäußert. Jetzt schob sie einen Zeitungsartikel nach, der ihre Erfahrungen untermauert.

Süddeutsche Zeitung, 25.11.2022, S. R08

Hilfslehrer warten seit Monaten auf ihr Geld 

Weil in diesem Jahr wegen der Geflüchteten aus der Ukraine besonders viele externe Kräfte für Schulen angeworben worden sind, verzögert sich in vielen Fällen die Fertigstellung der Arbeitsverträge Landkreis München – Peter Müller geht zur Zeit etwas genervt in die Arbeit. Seit dem Schulbeginn am 13. September unterrichtet der Sozialpädagoge als sogenannte Drittkraft an einer Mittelschule im Landkreis München, er ist Hilfslehrer in einer der Brückenklassen für aus der Ukraine geflüchtete Kinder. Peter Müller heißt in Wirklichkeit anders, möchte seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen. Die Arbeit mit den Schülern macht ihm viel Freude, doch die Umstände ärgern ihn, denn bis vorigen Donnerstagabend hat er noch kein Gehalt für seine Arbeit erhalten. Auch einen Arbeitsvertrag hält er noch nicht in Händen. Und er ist nicht der einzige. Mehrere der externen Lehrkräfte, die in diesem Schuljahr an den Schulen im Landkreis München eingesetzt sind, warten noch auf ihren Arbeitsvertrag, haben diesen erst mit Verzögerung erhalten oder ihr Gehalt steht noch aus. Für die Betroffenen ist diese Unsicherheit ein Problem. „Ich halte diesen Zustand für untragbar“, sagt Müller. Gerade für aus der Ukraine geflüchtete Kolleginnen sei das Ausbleiben des Gehalts finanziell schwer zu stemmen. Wer bezahlt die Miete, wer die Krankenkasse? Ursula Löwe, Direktorin des Staatlichen Schulamts im Landkreis München, das für die Grund- und Mittelschulen zuständig ist, bestätigt die Verzögerungen. „Es ist richtig, dass noch nicht alle Drittkräfte ihren Arbeitsvertrag haben, ebenso haben andere externe Kräfte noch keinen Arbeitsvertrag“, sagt Löwe. Am Gymnasium Neubiberg hätten die zwei Frauen, die in der Brückenklasse die ukrainischen Schüler unterrichten, ihr Geld erst mit Verzögerung erhalten, berichtet Ulrike Gillhaus-Westphal, die dort Mitglied der Schulleitung ist.
Eine erhielt im Oktober eine Abschlagszahlung
für September und Oktober, die andere, die auch in der Brückenklasse am Gymnasium Ottobrunnn unterrichtet, hat ihr Gehalt vor kurzem bekommen.
Gillhaus-Westphal spricht von einem „sehr
großen bürokratischen Aufwand“, der auf dem Weg zu einem Vertrag anfällt. Für eine Einstellung müssen die Bewerber zahlreiche Unterlagen einreichen. Das Personal in Brückenklassen etwa braucht ein erweitertes Führungszeugnis und einen Masernschutznachweis, wie auf der Homepage des Bayerischen Landesamts für Schule nachzulesen ist, das für die Arbeitsverträge mit den befristeten Lehrkräften an Realschulen, Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen zuständig ist. Gillhaus-Westphal zeigt aber auch Verständnis für diesen Aufwand – die Unterlagen seien alle wichtig.
Die Situation ist für alle Seiten eine
Herausforderung. Allein im Bereich des Schulamts im Landkreis München geht es um etwa 200 Menschen, die in diesem Schuljahr als befristete Zusatzlehrkräfte in verschiedenen Bereichen eingesetzt sind und für die es einen Arbeitsvertrag braucht. Bis ein Arbeitsvertrag ausgehändigt wird, sind zahlreiche Stellen beteiligt: Ansprechpartner für die Kräfte an Grund- und Mittelschulen ist zwar das Schulamt, die Verträge aber erstellt die Regierung von Oberbayern, nach eingehender Prüfung der umfangreichen Unterlagen. Das Geld kommt schließlich vom Landesamt für Finanzen.
„Ich kann nur bestätigen, dass sowohl
Regierung als auch Landesamt für Finanzen seit Monaten Mehrarbeit und Überstunden schieben, um der Masse an Anträgen zu externem Personal Herr zu werden“, sagt Schulamtsdirektorin Löwe. Doch die Prozesse sind komplex und dauern. Die Bewerbungsunterlagen umfassen laut der Schulamtsdirektorin bis zu 50 Seiten. Dazu zählt auch die Frage, wie eine Zusatzlehrkraft tariflich einzugruppieren ist. Hat sie eine pädagogische Ausbildung, schon Erfahrung im Unterrichten? Ist sie in Deutschland oder in einem anderen Land ausgebildet  worden? Ein Arbeitsvertrag gilt jeweils für das Schuljahr, wer einen befristeten Vertrag hat, muss sich im kommenden Schuljahr neu bewerben. Auch eine Kraft, die nur zwei Stunden in der Woche arbeitet, muss alle Unterlagen einreichen. Im Schulamt bearbeite man die Anträge „in der Regel zeitnah“, sagt Löwe, man erhalte aber auch oft unzuverlässig und mit Verspätung Formulare von Bewerbern zurück und könne diese dann auch nur mit Verzögerung weiterleiten an die Regierung von Oberbayern.

Das Schulamt bekomme von der Behörde viel Unterstützung. Das Landesamt für Schule, zuständig für die Arbeitsverträge mit den befristeten Lehrkräften an Realschulen, Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen, führt die Verzögerungen auf die Menge an Anträgen und Mängel bei den eingereichten Unterlagen zurück. „Die Masse von zum Schuljahresbeginn zu erstellenden Arbeitsverträgen stellt jedes Jahr eine große Herausforderung dar“, sagt Direktorin Karin Vedder. Gegebenenfalls längere Bearbeitungszeiten resultierten in ihrer Behörde aber überwiegend aus „unvollständig oder spät eingereichten Unterlagen“, sagt sie. Anträge der Schulen auf Einstellung von Lehrkräften könnten grundsätzlich nur dann bearbeitet werden, wenn die benötigten Unterlagen vollständig vorlägen. Die Einstellungsverfahren der Lehrkräfte, die die erforderlichen Unterlagen eingereicht haben, seien vom Landesamt aktuell alle bearbeitet. Wie viel Arbeit mit all den neuen Kräften für die Verwaltungsbehörden verbunden ist, verdeutlicht auch Wolfgang Rupp, Pressesprecher der Regierung von Oberbayern. Seine Behörde habe seit Beginn des Schuljahrs insgesamt etwa 2500 individuelle Arbeitsverträge für Lehrkräfte mit unterschiedlicher Qualifikation, mit unterschiedlichen Zeitanteilen für alle Schularten und für unterschiedliche Aufgabenbereiche zu erstellen gehabt. Wegen der Vielfalt der Fälle müsse besonders im Hinblick auf die tarifliche Eingruppierung und damit die Vergütung jeder Einzelfall genauer geprüft werden als bei Standardfällen erforderlich. Größtenteils hätten Bewerberinnern und Bewerber ihren Wunsch für eine solche Tätigkeit erst kurzfristig und nach Schuljahresbeginn geäußert. Auch hätten sich dieses Jahr außerordentlich viele um eine solche Anstellung beworben. Rupp spricht von der vierfachen Zahl im Vergleich zu  Höchstständen der vergangenen Jahre. Zusätzliches Personal habe die Regierung dafür nicht  bekommen. Vor diesem Hintergrund wehrt Rupp sich gegen den Vorwurf, die Bearbeitungszeiten seien unvertretbar lange gewesen. Man habe darauf geachtet, die Anträge nach der Reihenfolge ihres Eingangs zu bearbeiten. Von den etwa 2500 Beschäftigungsverhältnissen, die seit Schuljahresbeginn angetreten wurden, habe die Regierung mittlerweile etwa 2200 Fälle abgearbeitet. Die noch offenen 300 Fälle könnten „in den kommenden Tagen“ ebenfalls abgeschlossen werden, gibt Rupp sich zuversichtlich. Sobald ein Vertrag geschlossen sei, werde das Landesamt für Finanzen „tagesaktuell“ informiert, damit eine Abschlagszahlung veranlasst werden kann. „Ich glaube, dass die Regierung und  das Schulamt viel zu tun haben, aber was sollen wir machen?“, sagt eine Kollegin von Müller, die ebenfalls in einer Brückenklasse arbeitet. Sie zeigt sich enttäuscht über die aus ihrer Sicht mangelnde Kommunikation der Behörde mit den externen Kräften. Umgruppierungen bei der Besoldung vom vergangenen Schuljahr zum jetzigen seien etwa nicht angekündigt oder erläutert worden. „Ich mache die Arbeit hier für die Kinder“, sagt sie, daher werde sie diese auch fortführen. „Aber so ein Umgang ist nicht in Ordnung.“
Peter Müller hat inzwischen Hoffnung. Auf
seine Nachfrage hin hat er Anfang der Woche von einer Mitarbeiterin der Regierung von Oberbayern den Hinweis erhalten, dass seine Unterlagen vollständig vorlägen und sein Vertrag, befristet bis zum Ende des Schuljahres, nun erstellt werde. Nun, hofft er, dass auch der Auszahlung des Gehalts nichts mehr im Wege steht. „Ich wüsste aber nicht, wo ich wäre, wenn ich nicht ständig nachgefragt hätte“, sagt er. DANIELA BODE, IRMENGARD GNAU 

3 Kommentare:

  1. Manchmal glaube ich, dass sie einfach lügen. Jeder andere Betreib schafft es, seine neuen Leute zu bezahlen.

    Liebe Grüße croco

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  2. HERAUSFORDERUNG oder neudeutsch Challenge: In diesem Fall ein Euphemismus für "Zumutung"

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  3. Jahresverträge helfen nicht den Lehrermangel zu verhindern. Im Gegenteil: Junge Menschen überdenken ihre Berufswahl genauer. Extremer Bürokratismus hilft nicht Bedenken zu mildern.

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