Prüfungszeugnis aus der SBZ (DDR) Bild: Wikipedia)
Nach dem 2. Weltkrieg gab es in Ost- und Westdeutschland großen Lehrermangel. Im Westen war er nicht so gravierend, da hier die "Nazilehrer" weiter unterrichten durften, während sie im Osten aus dem Dienst entfernt wurden.
Als die Alliierten verfügten, dass bis zum Herbst 1945 der Dienst in den Volks- und Berufsschulen wieder aufgenommen werden musste, rekrutierte man in großem Stil sog. "Neulehrer". Heute würde man "Quereinsteiger" dazu sagen. Das waren in Kursen außerhalb eines Studiums ausgebildete Lehrkräfte. Im Schnellverfahren, innerhalb weniger Monate, bekamen sie ihr Rüstzeug in die Hand, um dann vor großen Klassen, oft 40 Schüler:innen, stehen zu können. Während im Westen Akademiker herangezogen wurden, konnten im Osten auch junge Arbeiter:innen an den Schnellkursen teilnehmen.
Ein Bericht einer Neulehrerin aus der Magdeburger Börde verdeutlicht, wie schwer es war, die ersten Schritte in der neuen Schule zu gehen: „Der Altlehrer stellte mich den Kindern vor (zweites, drittes, viertes Schuljahr). Ich zog meinen Mantel aus, nachdem der Lehrer die Klasse verlassen hatte und alles nahm den Finger in den Mund und fing an zu pfeifen. Verbieten half nichts. So holte ich den Lehrer, der sie jämmerlich hin- und her zauste. Dann war Ruhe. Der Lehrer verließ wieder die Klasse, und ich stieg gleich in die Rechenstunde, damit mir die Kinder nicht gleich wieder aus der Hand glitten. Es half nur ununterbrochene Beschäftigung, was bei drei Schuljahren nicht immer glatt geht. Hefte sind sehr knapp. Ich hatte mich mit Altpapier versorgt und ließ die Kinder darauf rechnen und schreiben. Es fielen ein paarmal die Worte: „Neue Mode“. Die Einstellung gegen mich ist offensichtlich. […]“
(Quelle: Das Leben der Werktätigen in der Magdeburger Börde – Studien zum dörflichen Alltag vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Anfang der 60er Jahre, Akademie-Verlag Berlin 1987,Bd. 66/5, S. 225ff)Die Teilnehmer:innen an den Neulehrerlehrgängen mussten ständig durch Selbststudium ihr Selbstwissen erweitern, in den Ferien Kurse besuchen und zu Konsultationen fahren und die erste und nach einem Jahr die zweite Lehrerprüfung vor einer Prüfungskommission ablegen. Deshalb wurde zentral festgelegt, dass der Unterricht auf 5 Tage konzentriert werden sollte, damit die Neulehrer:innen sich an dem freien 6. Tag – das war meist der Sonnabend – auf ihre eigene Qualifizierung konzentrieren konnten.
Dass " Nazis" im Westen einfach nach dem Krieg weiter unterrichten durften, stimmt so nicht. Meine sudetendeutsche Großmutter, die mit Mutter, deren Schwester und zwei Kindern alles verlassen musste und als Flüchtling nach Oberbayern kam, übernahm die Stelle von einem Lehrer, der vom Dienst entfernt wurde. Dieser galt als strammer Nazi, war bei der Bevölkerung beliebt. Das Pikante an der Sache: Die Lehrerdienstwohnung war im Schulhaus und dort lebten eine Zeitlang beide Familien zusammen auf engstem Raum. Man kann sich vorstellen, dass der Lehrer seiner Nachfolgerin nicht allzu wohlgesonnen war. Was aus dem Mann und seiner Familie geworden ist, weiß ich nicht. Er verschwand aus Rottbach. Meine Großmutter erzählte von mehreren aus dem Dienst entfernten Lehrern, die glühende Anhänger des Nationalsozialismus waren und denen es ebenso ergangen war. Ob es allen Nazis so ergangen ist, darf natürlich bezweifelt werden. Auch die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der DDR dürfte nicht mit voller Energie erfolgt sein und auch heute würde man am liebsten der Geschichte einen neuen Anstrich geben.
AntwortenLöschenIch sehe keinen Widerspruch.
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