H. bekam ein Schreiben des Referats für Bildung und Sport zugespielt. Da viele Lehrkräfte hier mitlesen, wird es veröffentlicht. Es ist ja öffentlich. Von Seiten der staatlichen Schulaufsicht in München ist ihm nichts ähnliches bekannt. Aber es bietet auch den staatlichen Lehrkräften u.U. Hilfen.
Landeshauptstadt München
Referat für
Bildung und Sport
Stadtschulrat
Fachstelle für Demokratie
FgR
Anlaufstelle bei Diskriminierung
und rechten Hass an Münchner Schulen
Bildung und Sport Stadtschulrat achstelle für Demokratie FgR
Sehr geehrte Schulleitungen der Städtischen Münchner Schulen,
Sie alle haben sicher in den vergangenen zwei Wochen die Nachrichten über den grausamen Terrorangriff der HAMAS auf israelische Zivilist*innen und die Situation im Nahen Osten verfolgt. Die aktuelle Lage ist beunruhigend. Den entsetzlichen Bildern und Nachrichten, die uns täglich erreichen, kann sich kaum jemand entziehen. Gleichzeitig kommt es aktuell auch in Deutschland und hier in München zu Sympathiebekundungen mit den terroristischen Taten der HAMAS und zu antisemitischen Vorfällen. Uns ist bewusst, dass diese Entwicklungen auch in den Klassenzimmern und generell im schulischen Kontext eine Rolle spielen und Sie vor große Herausforderungen stellen. Es ist zu erwarten, dass dies - abhängig von der weiteren Entwicklung des Konflikts - auch in den kommenden Wochen und Monaten der Fall sein wird. Mit diesem Schreiben und der beiliegenden Kurzinformation, die Sie gerne auch an Ihre Lehrkräfte und alle weiteren schulischen Beschäftigten weitergeben können, möchten wir Ihnen daher einige Informationen und Hinweise an die Hand geben, die Sie dabei unterstützen sollen, an Ihrer Schule mit dem Thema umzugehen.
Der israelisch-palästinensische Konflikt emotionalisiert uns Erwachsene wie auch die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Münchner Schulen. Wir empfehlen deshalb einen offenen Umgang mit dem Thema, anstatt dieses zu ignorieren. Schulen müssen ein Ort für Austausch sein und bleiben. Gleichzeitig muss bei antisemitischen, volksverhetzenden und terrorverherrlichenden Aussagen und Bekundungen eine klare Linie gezogen werden.
Zunächst ist es uns sehr wichtig - und darum möchten wir auch Sie bei der Thematisierung des Sachverhalts im schulischen Kontext bitten - klarzustellen, dass es zwar bereits seit Jahrzehnten eine konfliktive Lage im Nahen Osten gibt, dass aber der Auslöser für die momentane Situation die brutalen Massaker der HAMAS-Terroristen vom 7. Oktober 2023 sind. An diesem Tag überfielen HAMAS-Terroristen Israel, ermordeten über 1.000 Einwohner*innen und Besucher*innen des Landes, verletzten und vergewaltigten eine Vielzahl von ihnen und verschleppten Hunderte weitere. Seit dem Holocaust sind nicht mehr so viele Juden*Jüdinnen an einem Tag getötet worden, wie bei den Terrorattacken der HAMAS an diesem Samstag.
Die Propaganda der HAMAS versucht derzeit, durch eine Vielzahl von Beiträgen über die israelische Siedlungspolitik und die nun erfolgende (auch militärische) Reaktion Israels, diesen Ausgangspunkt der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung vergessen zu machen bzw. den Terror der HAMAS zu rechtfertigen. Daher ist es uns an dieser Stelle wichtig zu betonen: Terror, wie der der HAMAS, ist durch nichts zu rechtfertigen. Diese Terrorakte sind völkerrechtswidrig, verabscheuungswürdig und menschenverachtend und in keinem Fall ein legitimes oder probates Mittel zur Durchsetzung politischer Forderungen. Hinzu kommt, dass die HAMAS neben den
Angriffen auf die israelische Zivilbevölkerung auch die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen teilweise als „Schutzschilder" missbraucht.
Daher möchten wir Sie bitten, bereits beim Einstieg in das Thema genau darauf zu achten, dass relativierende und verharmlosende Äußerungen bezüglich des Terrors der HAMAS gegenüber der israelischen Zivilbevölkerung nicht einfach stehen bleiben. Daher an dieser Stelle in Kürze einige Fakten, die Ihnen hoffentlich die Kontextualisierung erleichtern:
- Israel ist - bei aller berechtigten Kritik an konkretem Regierungshandeln (z.B. Siedlungspolitik) - die einzige Demokratie im Nahen Osten. Es gibt freie Wahlen und unabhängige Gerichte, die das Handeln der Regierung überprüfen können. Gegen die Versuche der aktuellen rechtsgerichteten Regierung, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden, gab es in den vergangenen Monaten breiten gesellschaftlichen Protest..
- Bei der HAMAS handelt es sich um einen Ableger der islamistisch-antisemitischen Muslimbruderschaft, der 1987 im Gazastreifen gegründet wurde. Die Charta der HAMAS zeichnet sich durch das Ziel der Auslöschung Israels sowie einen massiven Antisemitismus aus.
- 2005 hat sich Israel vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen und alle israelischen Siedlungen dort geräumt.
- Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Fatah von Präsident Abbas übernahm die Hamas 2007 die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen. Israel und Ägypten reagierten darauf mit einer Einschränkung des Grenz- bzw. Warenverkehrs, u.a. um die Einfuhr von militärischen oder militärisch nutzbaren Gütern zu verhindern. Dies hatte auch negative Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.
- Die HAMAS beschießt Israel - nicht erst seit 2007 - regelmäßig mit Raketen. Dies führte mehrfach zu einer Eskalation des Konflikts. Auch gegen die eigene Bevölkerung setzt die HAMAS auf Terror und Unterdrückung - insbesondere von politischen Gegner*innen, Frauen und LGBTIQ*.
- Die HAMAS wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
Durch die Verteidigung Israels gegen den Terror der HAMAS vom 7. Oktober 2023 entstehen neue Bilder von Zerstörung und Leid. Die Situation für die Zivilbevölkerung in Gaza ist fürchterlich und selbstverständlich ist es richtig und wichtig, hier Empathie zu zeigen. Auch kann das Vorgehen der israelischen Armee im Einzelnen zu kritisieren sein. Generell gilt somit: Selbstverständlich ist eine Kritik am konkreten Handeln der israelischen Regierung legitim, ebenso wie am Handeln anderer (demokratischer) Staaten. Gleichwohl wird es problematisch, wenn eine solche Kritik den Ausgangspunkt der aktuellen Situation verschweigt, in Verschwörungsdenken abdriftet, antisemitische Stereotype reproduziert oder pauschalisierend auf alle Juden*Jüdinnen bezogen wird. Sollte dies der Fall sein, möchten wir Sie bitten, klarstellend einzugreifen.
Zugleich müssen wir leider feststellen, dass es auch ein intensives Ringen um die virtuelle Deutungshoheit über das Thema gibt, was bedeutet, dass sehr viele Fake News im Umlauf sind. Wir möchten Sie daher bitten, im Unterricht den Unterschied zwischen seriösen und unseriösen Informationsquellen zu thematisieren und beispielsweise die Angebote der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten zur weiteren Befassung zu empfehlen.
In den vergangenen Tagen wurden uns rund um den Nahostkonflikt Vorfälle aus Münchner Schulen gemeldet. Eine Einordnung der häufigsten Parolen sowie Informationen zu Material für einen pädagogischen Umgang mit antisemitischen Aussagen und Ansprechpartner*innen zu diesem Thema finden Sie in den beigefügten Kurzinformationen. Wir würden Sie bitten, diese zu vervielfältigen und Ihrem Kollegium zur Verfügung zu stellen.
Zum Schluss möchten wir betonen: Wir alle wünschen uns einen Nahen Osten, in dem alle Menschen in Frieden und Sicherheit leben können. Im Moment sind wir gefordert, hier einen Austausch über diese Themen zu ermöglichen, der Gespräche zulässt, aber dort Grenzen setzt bzw. widerspricht, wo nicht differenzierte Kritik geübt wird, sondern pauschalisierende, antisemitische Aussagen getätigt, jüdische Menschen angegriffen oder das Existenzrecht Israels in Abrede gestellt werden. In diesem Zusammenhang gilt es selbstverständlich auch pauschalisierenden Aussagen gegenüber muslimischen und/oder arabischstämmigen Schüler*innen entgegenzutreten.
Wir wünschen Ihnen viel Kraft für diese sehr herausfordernde Aufgabe!
Mit freundlichen Grüßen
gez. Florian Kraus, Stadtschulrat
gez. Dr. Miriam Heigl, Fachstelle für Demokratie
Antisemitische und terrorverherrlichende Aussagen an Münchner Schulen und Wege eines pädagogischen Umgangs
Die Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen hat seit dem Terrorangriff der HAMAS auf Israel im Oktober 2023 zahlreiche Meldungen zu terrorverherrlichenden und antisemitischen Vorfällen an Münchner Schulen registriert.
Fachliche Einschätzung häufig vorkommender Parolen und Aussagen im Zusammenhang des israelisch-palästinensischen Konflikts
- ,,From the river to the sea, Palestine will be free "
Diese Parole spielt mit einer Auslöschungsfantasie Israels und ist damit eindeutig als antisemitisch einzuordnen. Wer fordert, Palästina solle vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer reichen spricht Israel das Existenzrecht ab. Zwischen Fluss und Meer befinden sich heute Israel, der Gazastreifen und das Westjordanland. Ein „freies Palästina" in diesem ganzen Gebiet, wie in der Parole „From the river to the sea, Palestine will be free!" gefordert wird, würde die Auslöschung des einzigen jüdischen Staates und somit des einzigen Schutzraums für Jüdinnen*Juden bedeuten.
Auch eine Landkarte, die das Gebiet,from the river to the sea" zeigt, ist in diesem Kontext häufig zu sehen. Meist ist das gesamte Territorium in den Farben der palästinensischen Flagge gehalten. Das heißt:,,Ganz Palästina" soll von den Zionisten" befreit werden, Israel soll aufhören zu existieren und durch einen palästinensischen Staat ersetzt werden. Denjenigen, die diese Parole rufen, geht es also nicht um eine Zwei-Staaten-Lösung, sondern um eine Kein- Staat-Israel-Lösung.
- Free Palestine
Der Ausspruch,,Free Palestine", also „Freies Palästina", ist alleinstehend nicht antisemitisch. Häufig wird die Parole aktuell jedoch mit Narrativen verbunden, die den Terror der HAMAS (z.B. als „bewaffneter Widerstand") rechtfertigen. Wird die Parole als Synonym für den Slogan ,,From the river to the sea..." genutzt, wendet sich auch diese Parole gegen das Existenzrecht Israels.
- Vergleiche und Gleichsetzungen Israels mit dem Nationalsozialismus
Auf israelfeindlichen Demonstrationen oder in entsprechenden Social-Media-Posts wird das Vorgehen Israels häufig mit den NS-Verbrechen bzw. explizit mit dem Holocaust verglichen oder gleichgesetzt. Mit Aussagen solcher Art verhöhnen Menschen die Opfer des Nationalsozialismus und verharmlosen den Holocaust. Wer das tut, handelt antisemitisch.
- Übertragung antisemitischer Motive auf Israel
Zum Teil knüpft eine vermeintliche Israelkritik" auch auf tief verwurzelte antisemitische Bilder und Motive an- z.B. auf die aus dem Mittelalter stammende Ritualmordlegende, wonach Jüdinnen*Juden für religiöse Zwecke Kinder töten würden. Dieses antisemitische Motiv wird beispielsweise in der Parole,,Kindermörder Israel" auf Israel übertragen.
Kurzer Überblick über im Themenzusammenhang relevante Straftatbestände
- Volksverhetzung, § 130 StGB: z.B. öffentliche Hetze gegen in Deutschland lebende Juden*Jüdinnen (Scheiß Juden" oder „Juden raus!")
- (Belohnung und) Billigung von Straftaten, § 140 StGB: Z.B. öffentliche Darstellung des HAMAS- Terrors als „vorbildhaft" oder „begrüßenswert"
- Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten, § 104 StGB: z.B. Beschädigung/Zerstörung der Flagge Israels
- Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, § 86a StGB: z.B. öffentliches Zeigen/Verwenden von Emblemen, Kennzeichen oder Flaggen der HAMAS
- Anlaufstelle bei Diskriminierung und rechtem Hass an Münchner Schulen Fachstelle für Demokratie (FgR)
Tel: +49 (0)89/233-92642
demokratie.schule@muenchen.de
fgr@muenchen.de
- Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS)
Tel: +49 89 122 234 060
info@rias-bayern.de
- Amadeu Antonio Stiftung:
-
Jüdisches
Forum
für
Demokratie und
gegen
Antisemitismus:
- Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit:
- Anne Frank Zentrum:
- Bundeszentrale für Politische Bildung:
- OFEK - Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung:
Das sind wichtige Hilfestellungen für Schulen! Natürlich kommt es zu Zwischenfällen an Schulen, da auch Eltern und Schüler betroffen sind. Ein konsequentes, umfassendes Handeln und Aufklärung sind unbedingt notwendig. Ein Kehren unter den Tisch halte ich für fatal. Die Hilfestellungen sind nicht selbstverständlich und zeugen von Verantwortungsbewusstsein und Fürsorge für die Bürger der Stadt.
AntwortenLöschenEin solcher Leitfaden erscheint mir dringend geboten.
AntwortenLöschenMir tun die Lehrkräfte von Herzen leid, die dieser Problematik zusätzlich zu allen sonstigen Aufgaben ausgesetzt sind. Eine gewaltige Aufgabe, die bei vielen bestimmt von Angst begleitet sein wird. Ich kann ihnen allen nur Kraft und Unterstützung wünschen.
Dass sich viele Eltern ins Boot holen lassen werden (was zu wünschen wäre) bezweifele ich leider.
Gruß, Trulla