Donnerstag, 31. Oktober 2024

2 Jahre 346 T Krieg in der Ukraine, 356 T Krieg in Gaza/Israel/Libanon und: Die Schulleiterfreundin (20) mit Surrealismus

 Die Schulleiterfreundin bietet, seit sie sich im Ruhestand befindet, unter anderem Kunstführungen an. Dazu reist sie extra nach München.

Kulturelle Bildung war ihr immer eine Herzensangelegenheit, deswegen veranstaltet sie ihre Führungen erfolgreich für Lehrerkolleg:innen.

 Aber hier leben? Nein danke. Surrealismus + Antifaschismus

Ausstellung vom 15. Oktober 2024 bis 2. März 2025 im Lenbachhaus

Max Ernst, L’ange du foyer (Der Hausengel), 1937, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne München

Absage an den bourgeoisen Zeitgeist

Rückblick ins Paris der "Les Années Folles", der Goldenen Zwanziger Jahre: Nach den Gräueln des Ersten Weltkriegs (1914-1918) hungern die Menschen nach Leben, man ist rastlos und optimistisch und möchte möglichst viel erleben. 1924 elektrisieren die Olympische Spiele die Stadt. Mit den Sportlern strömen viele Künstler, Schriftsteller, Musiker und Intellektuelle nach Paris und machen es zum kulturellen Zentrum Europas. Doch es gibt auch jene, die sich nicht länger mit einer Gesellschaft abfinden wollen, die einen so barbarischen Krieg möglich gemacht hat. Sie fordern ein radikales Umdenken.

Es ist eine politisch-künstlerische Gegenbewegung, die sich da formiert. Ob Maler, Filmemacher, Literaten oder Musiker: Die Anhänger der neuen Kunstrichtung erteilen dem bourgeoisen Zeitgeist eine Absage. 

Einer ihrer Vordenker ist André Breton, ein französischer Schriftsteller und Kritiker. Im Oktober 1924 verfasst er das erste Manifest des Surrealismus, in dem er die neue Bewegung in der Kunst vorstellt. "Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität." In den Jahren 1936/38 durch die russischen Schauprozesse kam es zu einem Richtungsstreit, viele wandten sich von der Sowjetunion ab. Auch die nationalsozialistische Diktatur war für viele existenzbedrohend.

 

 

André Masson, la Résistance, 1944

Der Surrealismus

Der Surrealismus war eine politisierte Bewegung von internationaler Reichweite und internationalistischen Überzeugungen. Seine Anfänge liegen in der Kunst und der Literatur, jedoch reicht er weit über beide hinaus. Die Wirklichkeit war für die Surrealist*innen ungenügend: Sie wollten die Gesellschaft radikal verändern und das Leben neu denken. Sie schrieben Poesie, feilten an der Dekonstruktion einer vermeintlich rationalen Sprache in einer vermeintlich rationalen Welt, arbeiteten an Gemälden und kollektiven Zeichnungen, fotografierten und collagierten, organisierten Ausstellungen.

Surrealismus kommt von dem Wort sur-real. Das bedeutet: über-wirklich.

Im Surrealismus sehen die Dinge auf einem Bild fremd aus.

Die Dinge sehen unecht aus. Zum Beispiel: Wie in einem Traum oder in der Fantasie. Experimentelle Techniken werden verwendet.

Surrealismus im Lenbachhaus

Victor Brauner, Totem de la subjectivité blessée II (Totem der verwundeten Subjektivität II), 1948

Dieses Gemälde wurde als Ausstellungsplakat für diese Ausstellung gewählt. Hier sieht man diese Kunstrichtung ganz im politischen Zusammenhang. Viele Fotos sind zu sehen. Auch Grafiken. Von einem Besuch mit Schülern würde ich abraten. Die Thematik ist zu komplex, teilweise mit schwierigen Bildinhalten und zu umfangreich. Das war wohl eine Folge der schwierigen Zeiten. Es erfordert Vorwissen.

"Vorsicht, bissige Kunst!"

Das Lenbachhaus in München entdeckt eine vergessene Seite des Surrealismus.“ So überschreibt die Zeit am 20.10.2024 ihren Artikel. Zum 100. Geburtstag des surrealistischen Manifests von André Breton bebildert diese Ausstellung einen wichtigen Aspekt, der zu lange vergessen wurde: Der Surrealismus war eine antifaschistische Bewegung. Viele der Poeten, Malerinnen, Regisseure und Fotografinnen, die sich dem Surrealismus verschrieben, machten dies ganz explizit auch in Opposition zum überall in Europa, ja in der Welt grassierenden Faschismus. Bei den einen war es eine konsequente Weiterführung ihrer antikolonialen oder kommunistischen Ideen. Bei anderen entwickelte sich das politische Engagement erst als Reaktion auf Verfolgung. In Paris und Prag, Marseille und Martinique bildeten sich surrealistische Zellen. Schon 1930 griffen in Frankreich dortige Faschisten eine Gruppenausstellung an, zerstörten Werke von Joan Miró, Salvador Dalí, Yves Tanguy. Später kämpften die Mitglieder der Gruppe "La Main à plume" mit Waffen gegen die Nazibesatzung – und verlegten gleichzeitig von Picasso illustrierte Gedichte, die wie Flugblätter verteilt wurden.

Die Kuratoren Stephanie Weber, Adrian Djukić und Karin Althaus rekonstruieren mit hierzulande nie gesehenen Kunstwerken und Dokumenten historische Situationen, etwa die Parteinahme von Künstlern wie Joan Miró im Spanischen Bürgerkrieg. Oder die Stoff für einen ganzen Roman bietende Flucht einiger Surrealisten auf einem Schiff von Marseille ins karibische Exil. Das Schönste: Selbst auf dieser Flucht feierten die Surrealisten ihre Kunst, spielten Theater – und lachten befreit in die Kamera.

Der vor einhundert Jahren im ersten Manifest von André Breton wortreich ins Leben gerufene Surrealismus sollte, ähnlich wie zuvor Dada, die herrschenden Verhältnisse überwinden. Kunst und Literatur waren dafür allenfalls ein Mittel. Ein psychischer Automatismus, so Breton, sei der Surrealismus, oder ein Denk-Diktat ohne jede Kontrolle durch die Vernunft, jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung“. So schreibt die TAZ am 26.10.2024 anerkennend. Und weiter „Der Surrealismus als revolutionäre Kraft geriet dann auch schnell in Konkurrenz zur Moskau-gesteuerten Kommunistischen Internationalen. Die Komintern beharrte auf eine proletarische „Weltrevolution“ zur Überwindung der Verhältnisse. Die Surrealisten wollten jedoch nicht nur die Welt revolutionieren, sondern auch das Leben, gespeist aus Karl Marx’ historischem Materialismus, Arthur Rimbauds poetischer Erfahrung und Sigmund Freuds psychoanalytischen Schriften. Sie strebten an, was der Literaturwissenschaftler Peter Bürger als Hauptmerkmal der großen Projekte der Avantgarde ausgemacht hat: Die Kunst in Lebenspraxis aufgehen zu lassen.“ Die Begeisterung von Freud ließ allerdings schnell nach.

Fast vierhundert Exponate fährt das Lenbachhaus im Kunstbau auf, darunter Dokumente, Bücher und Zeitschriften. Etwa von der obskuren Widerstandszelle „La Main à plume“ mit ihrer riskanten Engführung von Poesie und Widerstand im von den Nazis besetzten Paris.

Wolfgang Paalen, Le nuage articulé (Die artikulierte Wolke), 1937, aus Schwämmen zusammengesetzt

Oder die handgeschriebenen „Paper Bullets“, die Fotografin Claude Cahun mit ihrer Partnerin Marcel Moore während des erzwungenen Aufenthalts auf der Kanalinsel Jersey Anfang der 1940er Jahre verbreitete: „Lasst eure Maschinen langsamer gehen/Verderbt sie verstohlenerweise“ heißt es auf einem der mit Bleistift oder Schreibmaschine beschriebenen Zettelchen, die als subversive Botschaften an die dort stationierten Wehrmachtsoldaten gerichtet waren. Solche Zeugnisse aktiven Widerstands unter prekären Bedingungen erlauben einen neuen Blick auf das Werk Cahuns. Bislang ist sie eher für ihre Fotos und Fotomontagen bekannt, in denen sie sich gegen Geschlechtszuschreibungen und Rollenbilder zur Wehr setzt. 1944 werden Cahun und Moore von der Gestapo verhaftet. Das Kriegsende verhindert ihre Hinrichtung.“

Jüdisch, kommunistisch und offen in einer lesbischen Beziehung lebend, war Cahun eine wandelnde Provokation für das reaktionäre und faschistische Menschenbild.

Ein Selbstportrait aus dieser Zeit verweist auf den Triumpf über den Nationalsozialismus. Cahun beißt da gerade auf eine Medaille des Reichsadlers mit Hakenkreuz.

René Magritte, L’ombre terrestre (Der Schatten der Welt), 1928,

Die berühmten Protagonisten des Surrealismus – Salvador Dalí, Joan Miró oder René Magritte –, die sonst lange Besucherschlangen vorm Museum garantieren würden, tauchen kaum auf. Ein einsames Gemälde von René Magritte in der Ausstellung ist kaum bekannt: „L’ombre terrestre“ (1928) zeigt einen düsteren Dinosaurier mit menschlichen Füßen in einer leeren, bühnenhaften Landschaft.“ Tatsächlich fällt das Bild auch aus dem Rahmen seiner gewohnten Malweise. Andere, Unbekanntere rücken in den Fokus.

Victor Brauner, 1903, Löwe, Licht, Freiheit

Remedios Varo, der Hunger, 1938

In den Fokus der Schau rücken mit Victor Brauner, Leonora Carrington, Jacques Herold, Wilfredo Lam, Lee Miller, Wolfgang Paalen, Jindřich Štyrský oder Remedios Varo stattdessen die Nebenfiguren. Sie machen auch deutlich, warum die Kunst des Surrealismus zu solch einem Wildwuchs tendiert: Die unkontrollierten Gesten von André Masson geben einen Vorgeschmack auf die abstrakte Nachkriegsmalerei eines Jackson Pollock, die B-Movie-reifen Angstszenarien von Leonora Carrington hängen ihre Gemälde selbstbewusst zwischen Akademismus und Hobbykunst ein und die tschechischen Surrealisten Štyrský und Toyen verbacken spontan aufgestrichene, dicke Farbmasse, ohne Rücksicht auf Geschmack oder Stil, zu amorphen Aquarienlandschaften.“

 

 


Immer wieder viele Fotokunstwerke oder Collagen aus Fotos. Man nehme sich Zeit! Teilweise sind sie recht klein.

Es finden sich kleine Collagen auf dem oberen riesigen Bild.




Jindřich Heisler, Ohne Titel. Aus der Serie "Vom gleichen Mehl", 1944. Ausschnitt

Oft wird Pablo Picasso in einem Atemzug mit Georges Braque genannt, denn beide gelten als Begründer des Kubismus. Auch Picasso findet sich in der Ausstellung mit einem bekannten Bild, das auch als Gemälde im kubistischen Stil existiert, im Lenbachhaus als Grafik.

P. Picasso, weinende Frau, 1937,

In verschiedenen Etappen war Picasso ständig auf der Suche nach etwas, das künstlerisch noch nicht gefunden worden war. Und in Picassos Fall waren die entsprechenden Richtungswechsel eben besonders zahlreich. Das Werk „Der Tanz“ läutete Picassos surrealistischste Phase ein, die von 1925 bis 1938 anhielt. 1936, bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs, wurde Picasso zum Direktor des Prado ernannt, ein Posten, der für eines seiner berühmtesten Werke eine grundlegende Bedeutung erlangte: die Bombardierung von Guernica, das große Wandgemälde. Unten weitere Grafiken von Picasso in der Ausstellung.

Pablo Picasso, Sueño y mentira de Franco 2 (Songe et mensonge de Franco) (Francos Traum und Lüge), 1937; Pablo Picasso, Sueño y mentira de Franco 1 (Songe et mensonge de Franco) (Francos Traum und Lüge), 1937

Ted Joans und Jean-Jacques Lebel 1961 in New York mit einer "Bombe", die zur Skulptur umfunktioniert werden sollte

Der Surrealismus bringt Kunst und Politik auf eine neue Art zusammen.
Später haben andere politische Bewegungen, die Ideen vom Surrealismus genutzt.
Beispiele dafür sind:
Die Schwarze Bürger-Rechts-Bewegung in den 1960er Jahren in Amerika
und die Bewegung von Student*innen um 1968.

Die Ausstellung im Lenbachhaus hat mehrere Bereiche, die sind zu diesen Themen:
Paris, Prag, Spanischer Bürgerkrieg, Exil, Marseille und
die Überfahrt nach Martinique, Widerstands-Kämpfe und Jazz.

Joan Miró ist auch mit einem ungewöhnlichen Gemälde vertreten, das nicht an seinen gewohnten Malstil erinnert. 

Joan Miró, Nature morte au vieux soulier (Stillleben mit altem Schuh), 1937.

Hier noch Prager Beispiele, die sehr beeindruckend sind.

Toyen,Marie Cerminova, 1902, Prag, Gespenst in Rosa

Toyen,Marie Cervinova, 1902 Prag, verlassene Höhle

Ein Gespenst geht um in Europa“ … das Gespenst des Faschismus. Prag war in den 30er Jahren seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu einem Zentrum der antifaschistischen Avantgarde geworden. Toyen war eine surrealistische Gruppe. Dazu gehörten neben Malern auch Schauspieler, Musiker, Fotografen… Dem Surrealismus standen die Prager zunächst misstrauisch gegenüber.

Remedios Varo (María de los Remedios Alicia Rodriga Varo y Uranga), Mi generalito (Le Marquis de la Contre-Croupe) (Mein Generälchen [Der Marquis von Contre-Croupe]), 1959

RemediosVaro (* 16. Dezember 1908 in Anglès; † 8. Oktober 1963 in Mexiko-Stadt) war eine spanische surrealistische Malerin.
Sie studierte an der "Academia de San Fernando" in Madrid. Sie lebte mit einem Schüler in Barcelona. Dort lernte sie die Maler der Avantgarde
kennen und 1935 den Schriftsteller Benjamin Péret, der als Freiwilliger auf der Seite der Republik am Spanischen Bürgerkrieg teilnahm. Die beiden heirateten und gingen 1936 nach Paris.

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Der Surrealismus ist ein komplexes Thema. Aber auch sehr vielfältig! Wenn Ihnen die Ausstellung gefallen hat, erhalten Sie von mir weitere Infos, auch über die bekanntesten Maler dieser Richtung, die Sie vielleicht kennen und vermisst haben. Obendrein über Techniken, die im Surrealismus und verwandten Stilrichtungen oft verwendet wurden: die Zufallstechniken. Diese lassen sich auch gut im Unterricht verwirklichen und helfen den Surrealismus auch über die verwendeten Techniken besser zu verstehen.

1 Kommentar:

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