Herwig Czech: Hans Asperger und der Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung, Psychosozial-Verlag 2024, 160 S., 19,90 Euro
In diesem, 2024 erschienenen Buch, arbeitet der Autor, Professor für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Universität Wien, den beruflichen Weg von Hans Asperger, einem bis heute renommierten österreichischen Kinderarzt und Heilpädagogen, auf. Dieser beschrieb die nach ihm benannte Form des Autismus, des "Asperger Syndroms". Die britische Psychologin Lorna Wing führte vor etwa 40 Jahren die Forschungen Aspergers fort, definierte das Syndrom und benannte es nach ihm. Asperger arbeitete ab 1932 an der heilpädagogischen Abteilung der Klinik der Universität Wien. Er fungierte auch als Berater beim Wiener Hauptgesundheitsamt und war Gutachter in Sonderschulen sowie bei „schwierigen, nervlich oder psychisch auffälligen Kindern“ in Normalschulen. Probleme mit dem Nationalsozialismus hatte er nie.1939 schrieb er: „Im neuen Deutschland haben wir Ärzte zu unseren alten eine Fülle neuer Pflichten übernommen.“ Man habe die Verpflichtung, nicht nur den „einzelnen Kranken“ zu helfen, sondern auch die „hohe Verpflichtung, für die Gesundheit des Volkes zu sorgen.“ Insofern müsse man als Mediziner „auch aus hoher Verantwortung Einschnitte im Volkskörper machen.“ (laut Hagalil)
Nach den Recherchen von Herwig Czech war Asperger als Mitglied einer Kommission mit verantwortlich, daß mindestens 44 junge Patienten in die „Euthanasie“-Anstalt „Am Spiegelgrund“ überwiesen wurden, in der etwa 800 Kinder ermordet wurden. Er überantwortete Fälle der von ihm untersuchten Kinder dem Euthanasie-Programm Am Spiegelgrund, wobei seine zum Teil vernichtenden und überaus harten Evaluierungen direkt zur Ermordung der Kinder führten (Edith Sheffer: Asperger's Children: The Origins of Autism in Nazi Vienna. W.W. Norton & Company, New York 2018).
Nach 1945 praktizierte er in Wien nahtlos weiter und bekam schließlich eine Professur an der Wiener Universität, die er bis 1977 inne hatte.
Die Süddeutsche schrieb 2018: „Asperger war weder ein überzeugter Gegner noch ein fanatischer Anhänger der Nazis. Er war ein gläubiger Katholik und trat der NSDAP nie bei. Sein Verhalten aber sei exemplarisch für das Abdriften etlicher Menschen in die Mittäterschaft.“
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