Sonntag, 31. Mai 2020

Gastbeitrag 1 der Schulleiterfreundin

Lieber H.,
nachdem Du so genau deinen Pensionsalltag beschreibst, möchte ich auch mal meinen Alltag beschreiben, aber stark anonymisiert, etwas weg gelassen und was an anderen Tagen geschah, dazu genommen. Kleine Begebenheiten, wie sie sich jeden Tag mehrfach wiederholen.
Ich erwähne die Telefonate, Gespräche, den Unterricht, die Beurteilungen, die Planung des nächsten Schuljahrs nicht. Das passiert so nebenher.

Heute früh, schon fast in der Schule, überkam mich die beunruhigende Gewissheit, dass ich vergessen habe das Bügeleisen auszuschalten. Also wieder zurück. Dann um 7.40 Uhr in der Schule. Lesen der amtlichen Mails, dauert unendlich lange. Lauter Gewäsch. Bloß ja niemanden verschrecken,bloß nichts Verbindliches!
Beschrieben wird der Umgang mit Coronaverdächtigen.

Mit ist jeder verdächtig: P. schickt U. T. (den kennst du auch noch, lieber H). Vor allem er hat sich all die Jahre nicht verändert, schaut noch immer aus wie ein Zehnjähriger. Er schreitet forsch über die schwarz-gelbe Linie im Büro, wenigstens hat er eine Maske auf. Deshalb kann ich auch das Genuschel nicht verstehen. Ich verstehe immer, er habe die Nase voll. Das kann ich nur bestätigen, ich nämlich auch und das teile ich ihm auch mit. Das verstört ihn etwas. Es stellt sich heraus, dass er wieder regelmäßig schwänzt.
Jetzt wird er kühner. Es gehe ihm schon viel besser, er habe nur die Nase voll gehabt.
Ich nicke. Mitfühlend frage ich nach: Hast du auch eine belegte Stimme?
Er weiß nicht, was das ist. Kann sich nicht entscheiden.
Hast du vielleicht etwas Fieber gehabt?
Er entscheidet sich nach längerem Nachdenken dafür.
Jetzt werde ich ungnädig: Warum warst du nicht beim Arzt? Sofort hinter die gestrichelte Linie!
Ich reiße zwei Fenster auf und atme tief durch die Maske.
U.s Augen werden panisch groß und rund. Ich verordne einen Coronatest und drohe auch damit, dass ich mich beim Gesundheitsamt danach erkundige, ob er ihn gemacht hat - vorher möchte ich ihn nicht einmal in der Nähe der Schule sehen. Wieder fängt er mit der vollen Nase an. Ich zische: Du wirst uns doch nicht alle krank machen wollen?
Darf ich morgen wieder kommen?
Auf keinen Fall! Erst mit negativem Test!
Er dreht sich schon zur Tür, eigentlich hätte er nur Übelkeit gehabt.
Was, das auch noch? Schnell raus und zum Coronatest!

Nun kommt es zum nächsten Konflikt.
Frau H, die neue Hausmeisterhelferin, hat leider den Rapport vergessen (bereits das 3.Mal) und das
Büro zugesperrt. Der Hund musste halt Gassi. Nach Maßgaben des RBS dürfen sie sich nicht zu zweit im Büro aufhalten. Handwerker sind auch noch da und wollen was. Wir erreichen weder Hausmeister noch Helferin, können schließlich wenigstens noch den Rapport abfangen. Wir brauchen ihn dringend, da manche Schüler ihr Aufgaben mit der Post kriegen.
Die Handwerker fahren mittlerweile wieder unverrichteter Dinge.

Frau G., Klasse xb, hat sich krank gemeldet. Der Vertretungsmensch hat doch die Frechheit besessen, sie vom Homeschooling weg in die Schule zur Vertretung einzuteilen.

Die Seminarleitung, auf Unterrichtsbesuch bei einer LAA (Schüler sind da
nicht dabei, es findet per Powerpoint statt und per Gespräch), will mich unbedingt sprechen. Man solle zwei Zimmer zur Verfügung stellen, Desinfektionsmittel stellen (was es offiziell nicht gibt). In der Halbzeit nach 45 Minuten wird gewechselt. Leider sei man sich beim letzten Seminartag etwas näher gekommen, tja und jetzt besteht bei einer LAA der Verdacht... Zwei aus dem Seminar unterrichten bei mir, die Seminarleitung ist auch noch hier ... Sie warten auf das Ergebnis. Wir
warten immer noch.

Frau B. möchte mich auch sprechen, schiebt mir einen Zettel hin: Schwanger! Na bravo. Sie möchte weiter unterrichten, darf aber nicht. Sie könnte für Frau G. Homeschooling übernehmen. Vermutlich wird diese Nachricht Frau G. in eine weitere Krise stürzen.

Ich kontrolliere meine Mails. Mehrere kommen von N. M., die schon seit Wochen krank gemeldet ist. Sie sind in einem äußerst depperten Tonfall und mit Herzerl versehen. Wenn ich einverstanden sei, solle ich doch auf den Link klicken (habe ich natürlich nicht gemacht, mich aber zunächst schon über den geistigen Zustand gewundert). Gehackt!
Also das gesamte Kollegium verständigen, eine weitere Kollegin ist betroffen.

Ein normaler Schultag in Coronazeiten.

Deine Schulleiterfreundin

2 Kommentare:

  1. LAA vermutlich Lehramtsanwärterin? Und was bedeutet "Rapport" genau in diesem Zusammenhang?
    Die Schulleiterfreundin beneidet man nicht. Damit möchte ich mich nicht herumschlagen müssen. Bin schon auf die Fortsetzung(en) gespannt. Noch schöne Feiertage.

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  2. Ja. Lehramtsanwärterin. Rapport ist der zweimal pro Woche kommende Postdienst der Landeshauptstadt, der bringt und mitnimmt. Die Schule hat keine Portokosten.

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