Es ist was los: Unterhaltsames für die LeserInnen, Nerviges für die Schulleitung.
Lieber Hauptschulblues,
ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, dass natürlich das zugesagte
Desinfektionsmittel (du erinnerst dich) immer noch nicht hier angekommen ist. Man möchte sich
erst vergewissern, dass das brennbare Material (Alkohol) sicher gelagert ist.
Da ist natürlich auch noch keiner gekommen um sich zu vergewissern.
Jetzt muss ich wieder bald einen Kanister Desinfektionsmittel bestellen. Der Kanister kommt dann zu N. in den Vorratsraum, der ist gekachelt und er steht dann auf einem Metallregal. Welche Vorkehrungen werden denn erwartet?
Allerdings kann ich dir noch ein paar Alltagsstorys liefern.
Der schon erwähnte Schüler der x. Klasse, der in die Notbetreuung gehen soll, ist
bereits am Mittwoch aus der Deckung gekommen. Du erinnerst dich? Am
letzten Schultag vor den Pfingstferien hatten wir die Diskussion wegen des Antrags der Mutter,
die Notbetreuung bis zu den Sommerferien durchzuführen. Am Mittwoch um 9 Uhr kam er zur Schulsekretärin.
Das pure Elend. Durchfall. Übelkeit. Kopfweh.
Er
konnte sich kaum aufrecht halten. Er meinte heldenhaft, dass er erstmal
nicht heim wolle, da er sonst zu viel versäume, aber er wolle sich kurz
ins Arztzimmer legen. Wenn es ihm besser ginge, würde er wieder ins
Klassenzimmer zurückkehren. Man müsse deshalb gar nicht erst die Mutter
anrufen. Die Sekretärin rief natürlich an. Die Mutter fluchte und meinte dann,
dass ihr Sohn genau damit gedroht habe. Er wollte überhaupt nicht in die
Schule und als sie sich nicht erweichen ließ, habe er angekündigt, dann
eben krank zu werden und sich den ganzen Vormittag ins Arztzimmer zu
legen und sich auszuschlafen.
Sie kam gleich in die Schule.
Als die Mutter die Tür zum Krankenzimmer öffnete, blitzten seine Augen
hinter der Maske zornig auf. In meinem Büro leugnete der Bengel gar
nicht seine Drohung, nur sie sei eben jetzt, oh Wunder, tatsächlich
wahr geworden. Auch seien Montag und Dienstag die Hölle gewesen. Der
Lehrer der Notfallbetreuung sei unmenschlich streng gewesen.
Der arme
Herr L.
Er habe dem Jungen weder eine Toilettenpause gegönnt noch
hätte er einen Schluck Wasser trinken dürfen. Dazu hätte er auf die Toilette, wo es höllisch stinken würde und dreckig sei, gehen sollen.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass dies ein Widerspruch zur Angabe
sei, dass Herr L. ihn hätte nicht auf die Toilette gehen lassen. Das
irritierte den Knaben kein bisschen. Er fuhr fort, dass er bis 13 Uhr
auch nichts essen durfte, nur laufend Hände waschen. Also Sklavenhaltung.
Jetzt wurde es mir zu bunt und ich holte Herrn L. dazu, der gerade im
Lehrerzimmer saß. Er war sprachlos. Zwischen dem Ende der
Notfallbetreuung und dem regulären Unterricht waren 30 Minuten Pause. Da habe der Junge regelmäßig gegessen und getrunken, außerdem konnte er zur
Toilette und sich relativ frei mit Maske bewegen. "Ach, das meinen Sie",
konterte der Knabe. Das hätte er halt deutlicher sagen müssen, der
Lehrer.
Der Klassenlehrer holte den Jungen dann zum bereits laufenden
Unterricht ab, da ging er dann relativ friedlich mit. Vermutlich heckt
er etwas Neues aus.
Dann auf ein Neues!
Kein Leugnen mehr, kein
Gekeife, kein Weigern - eben erwischt, geschluckt, keine Tränen,
ergeben. Die Mutter meinte, dass ihr Sohn ein begnadeter Schauspieler
sei, über eine große Phantasie verfüge, leider jede Situation ausnutze
und auch vor schamlosen Lügen nicht zurückschrecke.
Das kann ich leider
bestätigen. Ich könne sie jederzeit im Büro anrufen, wenn wieder so
etwas vorkäme. Die Mutter trocken, ruhig und bestimmt.
Die beiden,
Mutter und Sohn, haben sich gegenseitig gänzlich durchschaut.
Am Freitag wurde bekannt, dass eine Familie, die die ganze Schulwoche
nicht erreichbar war (das Mädchen fehlte unentschuldigt) und auch die
Jugendbeamten der Polizei kein Lebenszeichen in der Wohnung entdecken konnte, laut
Mitschülern in Urlaub gefahren sei. Das Mädchen hatte sich mit
Schnappschüssen auf What`s App gemeldet. Man zeigte uns die netten Grüße.
Es gibt offensichtlich auch Eltern, die sich keine Gedanken über
versäumten Lernstoff machen. Sie betrachten die derzeitige Situation als
urlaubsähnlichen Zustand. Das hatten wir so in etwa auch schon
befürchtet. Manche unserer Kandidaten brachten sich gerade noch selbst
mit, weil sie meinten, dass man keinen Schulranzen mit Schulzeug
brauche. Ein X.klässler, bei dem ich daheim anrief und die Situation
schilderte, kramte tatsächlich noch einen Bleifstift aus den Tiefen
seiner Hosentasche hervor und hielt ihn hoch. Das schützte ihn jedoch
nicht davor, den Heimweg anzutreten und seine Sachen zu holen.
Liebe Grüße,
die Schulleiterfreundin
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