Sonntag, 24. Januar 2021

Tag 318 und verschärfter Lockdown 14 und Gastbeitrag 11 der Schulleiterfreundin

Lieber Hauptschulblues,

mittlerweile bin ich mit dem Distanzunterricht schon relativ routiniert, vor allem die älteren Schüler*innen verhalten sich recht diszipliniert.
Es wird gemeldet, man lässt ausreden... Ungern wollen die Schüler*innen aber um 8 Uhr auf dem Bild zu sehen sein. 💆 Vermutlich kein erfreulicher Anblick, also dann eben nicht.

Auch erlebte ich schon, dass ein Schüler, der beim Meeting in der Küche saß, vom Vater gestört wurde. Dieser schob sich in den Hintergrund, gut sichtbar, in labbrigen Jogginghosen und Unterhemd, starrte verschlafen in die Kamera und kratzte sich dann am Rücken. Er schlurfte weiter zum Kühlschrank, entnahm etwas und verschwand wieder. Aber auch ohne Bild kann es zu Überraschungen kommen.
Wir versuchten gerade eine schwierige Frage zu klären. Es herrschte Stille. Plötzlich, laut und deutlich eine Klospülung. Kurzes Schweigen. Mindestens 17 empörte Reaktionen: Ich war`s nicht!

Ein Anruf eines Klassenlehrers der 7. Jahrgangsstufe am Donnerstag. Gerade hätte ein Schüler den gesamten Teams-Account der Klasse mit allen Aufgaben und abgegebenen Schülerarbeiten gelöscht. Kein Versehen, das hatte er frech der gesamten Klasse angekündigt. Der Lehrer hatte den halben Vormittag damit verbracht, alles soweit wie möglich wieder zu installieren. Der Knabe verbringe seine gesamte Freizeit vor dem PC, nicht nur mit Ballerspielen. Tatsächlich kenne es sich sehr gut aus, das Bürschchen. Der Lehrer rief empört bei ihm daheim an. Der Schüler war gleich am Telefon, freundlich und auskunftsbereit. Er wies höflich natürlich sämtliche Schuld von sich. Nein, die Eltern seien leider beide nicht daheim. Die Mutter weile auf Urlaub im Kosovo. Der Vater arbeite sehr hart bis abends um 10 Uhr.

Nun besprachen der Kollege und ich, dass da unbedingt mal die Jugendbeamten vorbei schauen sollten und ob man nicht gleich beim Jugendamt auf Kindswohlgefährdung plädieren soll. Das klinge eben ganz nach häuslicher Vernachlässigung. Der Lehrer versuchte noch einen letzten Anruf beim häuslichen Festnetz der Familie. Jetzt war tatsächlich die Mutter am Telefon. Verwirrt, natürlich nicht im Kosovo. Der Vater: Auch da! Als Frisör natürlich Leidtragender der Coronaepidemie. Beide komplett entsetzt und ungläubig. Dann das Geschrei einer Auseinandersetzung.

Tatsächlich konnte keiner nachvollziehen wie das dem Jungen gelungen war. Er hatte natürlich wie jeder Schüler nur beschränkte Zugangsrechte.
Er hat sich nicht geäußert. Das bleibt wohl sein Geheimnis. Ich habe ihm im Wiederholungsfall angedroht, dass er bei Teams gesperrt würde, er seine Unterlagen ausschließlich aus einer Plastikbox im Schulhof entnehmen und am Nachmittag dort seine Ergebnisse für den Lehrer deponieren müsse.
Vermutlich steht dem Jungen eine Karriere in der IT-Branche bevor, davon bin ich überzeugt.

Ja, sonst wurde bei euch der Schnee weg geregnet und bei uns wurde er mehr. Bis zum nächsten Mal.

Deine Schulleiterfreundin

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn Sie auf dem Blog kommentieren, werden die eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung.