Sonntag, 14. Februar 2021

Tag 339 und nochmal verlängerter Lockdown 5 und aufklärender Gastbeitrag 12 der Schulleiterfreundin

Lieber Hauptschulblues,

hier sind wieder ein paar Neuigkeiten, diesmal mehr über das Kollegium. Ich muss ganz viel los werden, habe auch gut Zeit, weil ich am Wochenende vor lauter Schnee ohnehin nicht raus komme. Außerdem sind die Münchner wieder eingefallen.

Neulich fand die Lehrerkonferenz per Teams statt. Die Lehrer stellten besonders gelungene Beispiele für Distanzunterricht vor. Kollegin D. konnte punkten. Ihr gelingt es einen ziemlich intensiven und schülerzentrierten Unterricht zu bewerkstelligen.Tatsächlich ist das schon etwas Besonderes und gerade jüngere Schüler brauchen die persönliche Anleitung, das Feedback. Am Schluss konnte sich nochmal jeder Lehrer äußern. Herr L., dessen Schüler kürzlich alles gelöscht hatte, Du erinnerst Dich, meldete sich. Er wirkte ganz gebrochen. Tatsächlich hatte heute wieder jemand alles von ihm gelöscht. Fast nicht mehr zu glauben. Allgemeine Empörung kam auf. Herr L. musste in mühseligster Kleinarbeit alles installieren. Heute sei deshalb auch der Distanzunterricht mittendrin zusammengebrochen. Mittendrin, alles weg! Ja, ob das wieder jener begabte Schüler gewesen sei. An den hatte der Lehrer natürlich auch gedacht, aber der Knabe hatte Stein und Bein geschworen von nichts zu wissen. Tja, vielleicht müssen wir damit leben. Hoffentlich spricht sich der uns unbekannte "Trick" nicht noch herum, dachte ich. Das Rätsel löste sich aber noch am selben Tag: Eine Kollegin, die überhaupt nicht mit der Technik umgehen kann und die digitalen Unterricht im Grunde aus vollem Herzen ablehnt, hat sich erzwungenermaßen auf das Abenteuer eingelassen. Als Lehrkraft genießt sie volle Zugangsrechte. In Teams wurde immer ein akustisches und optisches Signal eingeblendet, wenn jemand etwas tätigte. Das nervte sie total. Natürlich kann man das per Einstellung ändern. Sie aber drückte mehrmals auf "löschen". Das betraf bedauerlicherweise dann den gesamten Unterricht des Kollegen L.. Damit war dieser beendet. Angenehme Stille.

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Während der Konferenz dämmerte der Kollegin dann bei der Schilderung des armen Lehrers die Ursache des Fiaskos. Sie konnte sich nur schwer durchringen ein paar entschuldigende Worte heute zu diesem jungen Lehrer zu sagen (beide waren in der Schule). Immerhin hatte sie insgesamt 4x (!) in kürzester Zeit alles gelöscht. Sämtliche Aufgaben, sämtliche Schülerhausaufgaben, eben alles. Halt immer dann, wenn sie in Teams war und ein akustisches Zeichen ertönte. Jener kleine Möchtegernhacker, von dem ich letztes Mal berichtete, hatte seinem Lehrer noch den Blog angegeben, wo sich die Anleitung zum Löschen befände. Der meinte, das könne der Knabe auch bei längerem Nachdenken nicht geschafft haben. "Gamebox_xx" hatte eine sehr komplizierte Anleitung geschrieben, am Schluss noch, dass alle, die seinen Blog besucht hätten, von der Polizei heimgesucht worden seien. Also ein kleiner Möchtegerngangster. Wir mussten beide sehr lachen. Der Familie des Schülers gab der Lehrer nun "technische Probleme" als Ursache an und von einer Bestrafung würde abgesehen. Ca. 6 Stunden Arbeit hat die ständige Wiederherstellung insgesamt gekostet und die Kollegin hat das als Kleinigkeit abgetan. Wer sie allerdings so beschäftigen würde der könnte was erleben. Der Sekretärin hat die Kollegin übrigens geklagt, dass sie da ganz allein in ihrem Zimmer vor sich hin wurstele. Sie habe geglaubt, dass wir von der Schulleitung uns um sie kümmern würden. Das sei unsere Aufgabe und Pflicht, gehöre zu unserem Aufgabenbereich. Als ich ihr erzählte, dass sie weder die vielen Angebote der Einführung in Teams von L.L. wahrgenommen noch die zwei Fortbildungstage vor den Weihnachtsferien genutzt noch die 5 Fortbildungsangebote, die ich ihr vermittelt hatte, hielt sich sogar das Mitleid der Sekretärin auch in Grenzen.

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Nach der Konferenz winkte mich die Sekretärin ins Büro. Dort stand der Schüler V., Klasse 9c. Er hatte letzte Woche angegeben, dass sein Internet nicht funktioniere. Das allerdings auch erst nachdem er zwei Wochen vollkommen abgetaucht war, auch seine Eltern nicht erreichbar waren. Ich habe die Jugendbeamten hingeschickt. Diese sollten nachsehen, ob es der Familie noch gut gehe. Der Vater meldete sich telefonisch sichtlich erregt im Büro und bat mich bei einer weiteren Verweigerung seines Sohnes sofort wieder bei ihm anzurufen. Gerne würde ich diesem Ansinnen nachkommen. Da das Internet tatsächlich nicht zuverlässig funktioniert (für Außerschulisches reicht es), sollte der Schüler jeden Tag kommen, Aufgaben abholen und sie am Mittag erledigt in eine Kiste im Eingangsbereich der Schule deponieren. Das funktionierte am Montag und am Dienstag. Heute, am Mittwoch, kam der Knabe ins Büro und erklärte der Sekretärin, dass er leider die Aufgaben aus den Büchern nicht erledigen könne, da er alle Bücher in der Kirche vergessen habe. Richtig: KIRCHE! Der Junge stammt aus Ägypten, das Datenblatt gibt als Bekenntnis muslimisch an. Ich rief also wieder beim Vater an. Dieser fragte ungläubig: KÜCHE? Ich nein, KIRCHE! Schweigen. Was wollte mein Sohn in der Kirche? Ja, da müssen Sie ihn schon selbst fragen. Im Hintergrund weibliches Gekeife in einer Fremdsprache. Arabisch? Der Vater wollte kurz den Hörer ablegen. Das Gekeife wurde nun noch durch eine männliche Stimme verstärkt. Kurz danach der Vater: Mein Sohn hat die Bücher gefunden. Er macht die Aufgaben bis morgen. Ich bedankte mich überschwänglich. Später rief der Knabe in der Schule an und meinte, dass sein Internet jetzt wieder sehr gut funktioniere. Was ein Kirchbesuch für Auswirkungen haben kann. --- Das ganze Kollegium amüsiert sich derzeit anhaltend über den Vorfall und zeigt Verständnis für den jungen Kollegen L., der besagte Kollegin ja aus seinem Kanal entfernt hat. Das gab Zuspruch und Beifall. Das hätte sich keiner getraut. Die Kollegin hat sich nicht mehr geäußert. Vielleicht ist es ihr gar nicht aufgefallen…

Es grüßt Dich Deine genervte
Schulleiterfreundin

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