Lieber Hauptschulblues!
Es reicht. Bei uns treten sich die Münchner gegenseitig auf die Füße. München muss ja himmlisch leer sein. Ich glaub, ich komme in die Stadt.
Ansonsten reicht es mir aber auch.
Da ist ein Artikel aus der SZ: "Kürzen auf Kosten der Kinder". (Vorsicht Bezahlschranke!)
Eines kommt im Artikel natürlich nicht so raus: Der gebundene Ganztagsschule stirbt. Totgespart!
Das hängt niemand an die große Glocke.
Realität
ist: Die Einbindung von externen Kräften war noch nie einfach. Das
weißt du aus eigener Erfahrung als Schulleiter. Ihnen fehlt einfach die
Grundausbildung. Meist geht man von "sozialpädagogischen" Konzepten aus.
Dabei spielt "Freiwilligkeit" eine große Rolle. Kinder, auch
Erwachsene, machen jedoch nicht alles freiwillig. Wer lernt schon
freiwillig seine Vokabeln oder macht freiwillig Hausaufgaben?
Den
kumpelhaften Umgang, gepaart mit dem Nichtaufzeigen von Grenzen, kriegen
viele Schüler obendrein in den falschen Hals. Viele kommen aus
patriarchalisch geprägten Elternhäusern. Kumpanei gilt als Schwäche, aus
dem Kumpel wird schnell der Unterlegene. Du hast mir vor Jahren von einem externen "Kollegen" an Deiner Schule erzählt, Du weißt, was ich meine. Auch die Thematik der Stärkung
der Persönlichkeit über schwammige Inhalte und Methoden lässt über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen. Es bleibt nur Thema, die Umsetzung fehlt.
Alles stellt eine
klare Überforderung dar und zwar für alle Beteiligten! Es gibt kaum
Anbieter mit einem einigermaßen akzeptablen Konzept, im Gegenteil ‐ es
gibt immer weniger gute Anbieter. Diese merken ziemlich schnell, dass alles
ein Flickschustergebilde ist. Niemand kann so zufrieden sein.
So
erhalten Jugendliche, deren Leben zumeist aufgrund mangelnder
Frühförderung nicht gerade erfolgreich verlief, unreflektierten
Freiraum ohne Förderung persönlicher Schwächen und Lücken. Das kennen
unsere Schüler meist schon von daheim: Nicht kümmern und Nichtbeheben
von Schwächen, Verwahrlosung, mangelnde Sprachbildung,... Spielchen, die
niemanden wirklich interessieren, aber als Wundermittelchen zur
Persönlichkeitsbildung verkauft werden. Notwendig wären Sprachbildung,
Leseförderung, mathematische Bildung, naturwissenschaftliche und
technische Bildung und Vorbreitung auf die beruflichen Anforderungen.
Meist wird Zeit einfach tot geschlagen, verwahrt, vertan.
Die
versprochene Förderung findet immer weniger statt. Zumal jetzt
suggeriert wird, dass es ausgebildete, studierte Kräfte gar nicht braucht, jeder kann fördern und unterrichten. Wie schön.
Die
Kooperationspartner erwarten, dass in jedem Externenkurs auch ein
Lehrer mitwirkt, quasi zur Aufrechterhaltung einer dem Lernen dienlichen Atmosphäre. Das
konnten wir bislang gerade noch leisten, jetzt aufgrund der Streichung
von Lehrerstunden natürlich nicht mehr. Damit mit der wenigen Knete noch
kleine Gruppen gebildet werden können, kommen junge Menschen im
freiwilligen sozialen Jahr oder Praktikanten zum Einsatz. Da sich
herumgesprochen hat, dass unsere Schüler am Vormittag noch
aufnahmebereiter sind als am Nachmittag, drängen die Ganztagespartner in
den Vormittag.
Am Nachmittag haben es die
ausgebildeten, regulären Lehrkräfte mit bis zu 25 Schülern in
Klassenstärke (wer weiß, vielleicht beträgt diese bald wieder 32?) dann
schwer, den Mathestoff in die ausgepowerten Köpfe zu kriegen. Schließlich
hat man sich am Vormittag schon richtig ausgetobt, viele Konflikte
wurden aufgerissen oder gar ausgetragen, aber nicht geklärt, obwohl
gerade das eines der Ziele war.
Von Anfang an hat
man sich gegen qualitativ hochwertige Konzepte gesträubt, eingeforderte Qualitätskriterien blieben schwammig. Die
Ganztageskonzepte wurden bewusst für die Schulen "offen" gelassen. Die kosten
ja was. Also macht mal - möglichst kostenfrei! Schreinern, Theater
spielen, Musizieren, kreatives Schreiben, ..., das fällt leider flach, da
neben den höheren personellen Kosten für ausgebildetes Personal noch
Materialkosten anfallen. Als Schulleitung versucht man permanent und
krampfhaft Geldhähne zu finden. Den eigentlich Verantwortlichen, die
selbstgefällig die Augen verschließen, ist das schnuppe. Zynisch
verkündet man, dass man die Eigenverantwortung der Schulen stärken
wolle. Man muss ein sehr großer Menschenfreund sein, um da etwas
Vernünftiges entstehen zu lassen. Meist spielen die Beteiligten, die Kooperationspartner, nicht
dauerhaft mit.
Auch muss man sich ernsthaft fragen,
warum immer weniger junge Menschen den Beruf der Mittelschullehrkraft
studieren: Die angeblich langen Ferien, das üppige Beamtengehalt samt
sicherer Pension und die Unterrichtsstunden von momentan noch 27
Wochenstunden locken nicht. Naja, da kommt noch die Vorbereitungszeit
dazu. Mich wundert, dass man da nicht schon eifrig gestrichen hat. Man
suggeriert, dass den Unterricht quasi jeder hinkriegt. Ein Kinderspiel.
Woran
das nur liegt, dass an Gymnasien und Realschulen kein "Lehrermangel"
herrscht? Da habe ich mir wirklich schon darüber den Kopf zerbrochen.
Konsequent
wäre für Mittelschulen die Abschaffung der gebundenen Ganztagsschule. Die
für berufstätige Eltern sinnvolle Betreuungsmöglichkeit müsste durch Tagesheime geschehen. Es
wäre zumindest ein ehrlicherer Umgang mit der Thematik. Durch
vernünftige Bündelung der Ressourcen wäre das womöglich auch noch kostensparend. Jedenfalls wären die
Lehrer frei für den Pflichtunterricht.
Zudem
böte sich eine Abschaffung bestimmter Förderschulen an, z.B. für sozial‐emotionale Störungen oder Lernbehinderungen. Diese Schüler sitzen
sowieso schon aufgrund des Elternwillens zumeist mit der Empfehlung
Ganztagesklasse in der Mittelschule. Die Zahl dieser Schulwechsler ist
steigend. Als Pflichtschule hat man die Aufgabe der Inklusion. Das
wollen europäische Gesetze und der Wähler.
Vermutlich
werden wir in der Zukunft erleben wie sich meine Visionen
verwirklicht. Leider ist allerdings der Leidensweg noch am Andauern,
die guten Vorsätze lässt man nicht so schnell sterben. Man hat so den
Eindruck, dass Mittelschulen neben den anderen Schularten eine
Randgruppe darstellen, nach dem Motto "da war doch noch was".
Wie
locker flockig und verlogen der Umgang mit der Pflichtschule
Mittelschule ist, fällt wohl schon vielen jungen Menschen auf, die sich
deshalb bewusst für andere Studiengänge entscheiden. Vielleicht findet
sich ja beispielsweise wenigstens ein Handwerksmeister, der eine
schulpädagogische, soziale Ader an sich entdeckt. Aber vermutlich
schrecken das schlechte gesellschaftliche Ansehen (momentan für die
Politik als Sündenbock ganz bequem) und die Bezahlung ab.
Gerade
die durch die Coronapandemie hervorgerufenen Lücken sind in unserer
Schulart besonders schwer zu beheben. Da nutzen auch die hochtrabenden
Konzepte des ISB nichts. Neben nicht vorhandenem Personal für Ferienkurse
werden auch die Nachhilfeschüler selbst fehlen. Viele fiebern schon jetzt
ihrem Urlaub im Heimatland entgegen. Im August herrscht im
ausgestorbenen Viertel neben der Schule tote Hose. Die ISB-Ziele wären schon bei vollem
Unterrichtsbetrieb kaum realisierbar. Viele Lehramtsanwärter:innen waren bereit einen Teil
ihrer Ferienzeit zu opfern. Viele Lehrer haben sich trotz der
Streichung der unterrichtsfreien Tage in den Winterferien mit Elan in
den Distanzunterricht gestürzt. Trotz mangelnder Ausrüstung. Aber
kreativ!
Mir fiele dazu noch eine Menge ein. Der Akku ist gleich leer.
Gruß Deine Schulleiterfreundin
Dieser Ganztagsschulbetrieb läuft nur, weil ganz viele weg sehen. Die Nachbarschule, eine Realschule plus mit Hauptschule und Realschule, leidet sehr. Die Schüler, die zuhause keiner haben will, sind dann am Nachmittag da. Das Engagement der Freiwilligen aus den Vereinen war groß, schwindet aber.
AntwortenLöschenEs müsste sein wie in den Internaten: bezahlt und ausgebildete Erzieher übernehmen am Nachmittag die Betreuung. Sie können mit den Jugendlichen entsprechend umgehen, erkennen Defizite und können die nacharbeiten. Das schafft der Jugendtrainer aus dem Tischtennisverein eben leider nicht.
Die Förderschulen werden aufgelöst. Und Jugendlichen, die eine Klassenstärke von 12 benötigen, sind jetzt Teil von Gruppen mit 25 Schülern. Es ist allerdings die billigere Lösung.
ja, so ist es. und aus eigenen erfahrungen kann ich noch hinzufügen, diese "hilfefirmen" scheinen nur gegründet, um gelder abzuschöpfen. wenn ich höre das der leitsatz sei, "menschen da abholen, wo sie stehen" sträubt sich alles in mir. klar sollte man schauen, wo der betreute mensch steht, aber man darf da nicht verharren, und auf der stelle rumtrampeln. viele gute kräfte sind weg, geblieben sind oft die, die einen lauen job haben wollen. und die, die ihre arbeit ernstnehmen und nun auch noch unter den kollegen/-innen leiden müssen, zu allem anderen.
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