Mittwoch, 6. September 2023

Drei Jahre und 163 Tage mit Corona, 1 Jahr und 192 Tage Krieg und Gastbeitrag 20 der Schulleiterfreundin

 

Hallo Hauptschulblues,

das neue Schuljahr beginnt und schon im alten war klar, dass dieser Start nicht unbedingt erfreulich für das Bildungswesen erfolgt. Lehrermangel überschattet alles. In Grund- und Mittelschulen wird diskutiert: Was kann man streichen? Natürlich nur Unwichtiges. Herr Piazolo ist daher hoch zufrieden.

In der Grundschule stellte man schon einmal den Englischunterricht zur Diskussion. Dabei hatte man sich so viel Mühe gegeben und Englisch als Studienfach angeboten. Gut, ich bin nicht vom Fach, vermutlich ein Banause. Mir fiel nur auf, dass die Schüler, wenn sie aus der Grundschule kommen, wie kein Englisch können. Man fängt wie eh und je bei Null an. Sie können allerdings ganz einfache englische Kinderlieder zum Besten geben.

In der Mittelschule gab es richtig hitzige Diskussionen bei der Streichung von Fächern. Informatik? Geht ja überhaupt nicht! Alle müssen sich mit diesem superwichtigen Fach beschäftigen, wenn sie im Beruf erfolgreich sein wollen. Es wird spielerisch angegangen, macht Lehrern und Schülern Spaß. Es hat am Anfang ein wirklich ganz kleines Bisschen was von Zocken. Da werden Jugenderinnerungen wach. Ein wenig. Leider gibt es in jedem Informatikraum nur 15 Plätze, davon ist mindestens einer stets defekt. Die Ernüchterung kommt prompt. Die Klassenstärken steigen und eine Teilung geht aufgrund des akuten Lehrermangels natürlich nicht. Also sitzen zwei Schüler vor einem Bildschirm.

Sport? Natürlich nicht! Mangelnde Bewegung, schlechte Ernährung ... Gesunde Kinder müssen sich bewegen!

Die Lernfächer? NT (Natur und Technik)? Physik, Chemie und Biologie hat man bei den letzten Änderungen schon so zusammengestrichen, dass sie kaum noch echte naturwissenschaftliche Zusammenhänge vermitteln. Mein Vater, ein Doktor der Chemie, griff sich bei jedem Besuch Schülerbücher und machte sich eifrig Notizen. Er wollte die Verlage aufklären, was ich zugegebenermaßen verhinderte. Bei maximal drei Wochenstunden für dieses Fach zum Abschluss hin kann es höchstens zu kleinsten Eindrücken, aber nicht zu einem umfassenden Wissen kommen. Ein Geschichtswissen, vor allem das zu Beginn des 20. Jahrhunderts (und die Nazizeit) wäre superwichtig, aber auch da können natürlich keine grundlegenden Erkenntnisse aufgebaut werden. Um den modernen Jargon zu nutzen: grundlegende Kompetenzen. Dieser Begriff ist dehnbar.

Religion? Auf keinen Fall! Wir sind in Bayern!

Nun kommen wir der Lösung schon näher: Musik und Kunst! Just for Fun! Also, weg. Zumindest erst einmal reduzieren. Eine Wochenstunde von 45 Minuten muss reichen. Oder 14tägig im Wechsel.

Schon die Klimakleber gaben an, dass ein Kandinsky, auf dem literweise Tomatensuppe klebt, nicht so wichtig sein kann wie unser bedrohtes Klima. Also, was soll es. Ist ihnen auch schon aufgefallen, dass sich die Leute sowieso kaum noch für Bilder interessieren? In der modernen Wohnung hängen keine Bilder mehr, vielleicht noch ein Schriftzug wie "Love" oder ähnliche Aufkleber (Baumärkte).  Auch das Ölbild des röhrenden Hirsches ist verschwunden. Vielleicht nicht ganz so schade. Es soll Kollegien geben, da hält man Jasper Johns für einen amerikanischen Politiker, wenn man das angibt und Frida Kahlo für ein modernes Model. Der Abbau von künstlerischer Kultur geht schon lange voran. Eine Zeitlang sah man den Kunstunterricht für die Chance einer Heftverschönerung. Grafiken und Übersichten in den Lernfächern wurden "verschönert", sprich mit Buntstiften "angemalt".  Es gab jedoch auch eine Zeit, in der man erkannte, dass künstlerisches Schaffen etwas mit Kreativitiät zu tun hat. Kunst gehört zu unserem Kulturgut! Kreativität nutzt sämtliche innovativen Erkenntnisse. Alle Wissenschaftler schaffen aus dem Erlernten als Basis etwas Neues. Forschung, neue Erkenntnisse! Diese fangen doch schon bei Kindern im kleinen Bereich an. Spielerisch, spritzig! Die Phantasie soll angeregt werden!

Brauchen wir das nicht mehr? Das beunruhigt. Da sollte man für jeden Kunstdruck, der den Bergbauern mit Bierkrug zeigt, dankbar sein. Das zeigt, dass wenigstens noch einige Menschen auf optische Eindrücke stehen. Übirgens stehen Kunstführungen für Lehrer ganz unten auf der Agenda. Musikstunden stellen ein Horrorszenario dar, vor allem für Quereinsteiger. Diese werden äußerst dankbar sein, dass der Horror nur 45 Minuten in der Woche dauert ...

1 Kommentar:

  1. Lese die Ausführungen der Schulleiterfreundin immer wieder mit Interesse. Danke für diese profunden Einblicke.

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