Die Zeitschrift für Erziehungswisenschaft veröffentlichte eine Untersuchung zu den Schulnoten.
Diese sind ja schon seit dem 19. Jahrhundert, seit den 70er Jahren lautstark, umstritten.
Das in Deutschland gebräuchliche Notensystem hat sechs Stufen bzw. Punkte festgelegt und wird in allen Bundesländern wie folgt verwendet:
Zahl | Note | Punkte | Beschreibung |
---|---|---|---|
1 | sehr gut | 15–13 | wenn die Leistung den Anforderungen* in besonderem Maße entspricht. |
2 | gut | 12–10 | wenn die Leistung den Anforderungen* voll entspricht. |
3 | befriedigend | 9–7 | wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen* entspricht. |
4 | ausreichend | 6–4 | wenn die Leistung zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen* noch entspricht. |
5 | mangelhaft | 3–1 | wenn die Leistung den Anforderungen* nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können. |
6 | ungenügend | 0 | wenn die Leistung den Anforderungen* nicht entspricht und selbst die
Grundkenntnisse so lückenhaft sind, dass die Mängel in absehbarer Zeit
nicht behoben werden können.
Eine Arbeit wird auch bei nicht erbrachter Leistung oder bei Unterschleif mit ungenügend benotet. *Der Begriff „Anforderungen“ bezieht sich auf den Umfang sowie auf die selbständige und richtige Anwendung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie auf die Art der Darstellung. |
(Lehrkräfte haben noch die Notenstufe 7.)
Schulnoten sollen der Vergleichbarkeit von Leistungen und der Selektion dienen und sollen den beruflichen Aufstieg ermöglichen.
Innerhalb der BRD wären Noten nur vergleichbar, wenn die föderalen Bildungsstrukturen wegfielen und eine bundesweite Bildungsstrategie an ihren Platz kommen würde.
"Noten sind nicht in der behaupteten Weise für das Lernen nützlich und sie sind erst recht nicht nötig. Sie betonen einseitig die Bewertungsfunktion - können aber auch diese wegen ihrer mangelnden Aussagekraft, Vergleichbarkeit und Objektivität nicht angemessen erfüllen. Es gibt deshalb keinen Grund, auf ihnen zu beharren, zumal sie darüber hinaus etliche unerwünschte Nebenwirkungen haben."
Arbeitsgruppe Primarstufe der Universität Siegen
Dazu kommt noch, so die Studie, dass nicht nur auf die Unterschiede bei den Bundesländern geachtet werden sollte, sondern auch auf die Unterschiede innerhalb eines Bundeslandes. Hier kommen die Art und Weise der Notengebung, die Gewichtung und die Subjektivität der Beurteiler stark zum Tragen.
Schülerinnen und Schüler mit gleichen Schulnoten können unterschiedliche Kompetenzen aufweisen wie auch umgekehrt.
Was tun, sprach Zeus?
Eine große öffentliche Debatte wäre wünschenswert, unter Einbeziehung aller Studien und unter Betrachtung der Schulen bzw. Schularten, die keine Ziffernoten erteilen, sowie der Blick in andere europäische Länder und deren jeweilige Beurteilungsweisen.
An der Anne-Frank-Schule Bargteheide (Schulpreisträgerin) basiert das Beurteilungssystem auf einer Kombination aus Portfolioarbeit und Lernentwicklungsgesprächen.
In der Waldparkschule Heidelberg (ebenfalls Schulpreisträgerin) gibt es bis zur achten Klasse keine Noten. Die Schülerinnen und Schüler treffen sich jede Woche mit ihrer Lehrkraft zu einem persönlichen Coaching-Gespräch, regelmäßige Lernbriefe ersetzen herkömmliche Zeugnisse. Lerntagebücher zeigen den Schüler:innen (und Eltern) an, wo sie aktuell stehen und welches Lernziel sie als nächstes anstreben sollen.
München plant eine Schule ohne Noten - bis jetzt ist nicht bekannt wo und wie.
All die notenfreien Beurteilungen sind schwer zu durchschauen. Vor allem für Eltern, auch für Akademiker. Aber auch für Kinder und Jugendliche. So freut man sich über positive Bemerkungen, die ja ermutigen sollen und daher alles positiv formuliert werden soll, aber und das ist menschlich, verdrängt man Verbesserungsanregungen. Das passiert trotz vieler Gespräche oder vielleicht deswegen? Diese nehmen in einigen Fällen bereits viel zusätzlichen Raum ein. Man versucht Negativerlebnisse zu vermeiden. Trotzdem ist das am Schluss oft nicht zu verhindern, denn die Enttäuschung, dass es mit dem Abitur nichts wird oder gar der Plan der erfolgreichen Rechtsanwältin platzt, ist dann umso schlimmer. Eine Mittelschulempfehlung gleicht sehr oft einer Vollkatastrophe. Eine gewisse Frustrationstoleranz muss sich leider jeder zulegen, denn auch später sind Härten nicht zu vermeiden. Noten, auch wenn sie nicht vollkommen neutral sind - wie auch alle anderen Methoden nicht- helfen sich schnell einzuschätzen. Eltern und Schüler geben öfter an, die Bemerkungen "nicht so genau" zu lesen.
AntwortenLöschenTrotzdem kann man auf das Experiment der notenfreien Schule sehr positiv gespannt sein. Vermutlich zielt es auf die Aufhebung des dreigliedrigen Schulsystems ab. Vielleicht gelingt es diese Hürde von Leistungsmessung und Beurteilung zu überwinden. Auch wie die Wirtschaft darauf reagieren wird, ist spannend. Schließlich ist unser Bildungssysem recht festgefahren.
Lieber Hauptschulblues,
AntwortenLöschennoch eine kleine Ergänzung zu deinem Blog.
Die vielen Gutachten etc. , die ja noch zusätzlich notwendig sind, z.B. sonderpädaogische Gutachten, werden immer ausführlicher, jedoch von den Eltern immer weniger gelesen und Empfehlungen immer weniger beachtet. Sie spielen tatsächlich keine Rolle mehr. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Fünftklässler. Dort stand im sonderpädagogischen Gutachten, dass er den Zehnerübergang im Zahlenraum bis 20 problemlos schaffe. Das war für die Eltern gleichbedeutend für mindestens eine Realschulempfehlung. Er war gerade erst vom Förderzentrum zu uns gewechselt und die Mutter hat den baldigen Wechsel zur Realschule angekündigt. Leider kein exotischer Einzelfall. Die Förderschullehrkraft hatte sich die Finger wund geschrieben und erzählte mir auch total gefrustet, dass sich der Zeitaufwand hierfür vervielfacht habe, aber dass es keinen Unterschied mache, was im Gutachten stehe. Auch die Lernstandsgespräche, die man im Halbjahr machen kann, haben keinen Erfolg gebracht. Du weißt selbst, es wird nichts klar angesprochen, soll es ja auch nicht. Viele Eltern wollen nichts hören, können vielleicht zu wenig verstehen und lesen sowieso nichts.
Dass Noten nicht objektiv sein können, klar, Lernstandsgespräche, Portfolio, etc. eigentlich alles was probiert wird, ebenfalls nicht.
Auch eine notenfreie Schule würde selbstverständlich eine Aufhebung des dreistufigen Schulsystems beinhalten. Anders geht es ja gar nicht. Allerdings sehe ich da zu wenig Sympathisanten. Auch die Wirtschaft ist nicht im Boot. Ganz im Gegenteil. Die derzeitige Talfahrt ist so schnell nicht zu Ende und aus den Fachkräftemangel wird schnell ein Überschuss. Das heißt, es wird viele Arbeitslose geben und dreimal kann man raten, wo man sie findet. Der Konkurrenzkampf wird wieder steigen. Darauf werden Schüler nicht vorbereitet. Bloß keine Misserfolgserlebnisse, kein Frust. Das können selbst viel Erwachsene ohne Kiffen oder Saufen oder Tabletten mehr aushalten.
Genau das ist übrigens das, was zukünftige Lehrer nervt. Der zusätzliche Haufen immer monströseren Schreibkrams. Jede Klasse hat mittlerweile zwei Ordner Schülerbeobachtungen, von jedem Schüler ein Bündel. Verlangt wird eine sehr ausführliche Auseinandersetzung. Die Schulaufsicht war einmal sehr verstimmt, als ich angab, eine Lehrkraft wolle Lehrerin, nicht Literarturfachfrau werden. Bemängelt wurde ihre monotone Ausdrucksweise und stellenweise Ankreuzungen bei einer Auswahl. Ich lehne Schülerbeobachtungen nicht ab. Aber es würden stichpunktartige treffende Beobachtungen reichen. Es geht ja darum zu einer Aussage zu kommen. Oder eben nicht? Bedeutet das nicht schon eine Schublade?
Eltern, auch schlauere, können ihre Kinder natürlich nicht ganz objektiv sehen. Sehr oft werden Dinge ausgeblendet, das dann noch vehement verteidigt. Ziemlich widersprüchlich alles. Gott sei Dank muss ich das nicht mehr durchführen.
AntwortenLöschenDiese Schülerbeobachtungen haben ein Ausmaß angenommen, das irrsinnig ist. Wir sind ja fein raus am Gymnasium, wir haben einfache Noten. Und doch mache ich mir die Arbeit, mit jedem Schüler in jedem Halbjahr ein kurzes Einzelgespräch zu führen über seinen Leistungsstand und seine Fähigkeiten. Für eine Nebenfachlehrkraft wie mich ein Riesenaufwand, doch lohnt es sich. Ich lobe, was zu loben ist und benenne die Lücken und den Nachholbedarf. Ich spreche offen und direkt und lasse den ganzen pädagogischen Sprech weg. Und ich gebe Hilfen für das weitere Vorgehen. Ich bemühe mich, in allem sehr klar zu sein.
Sie hören zu und ändern oft das, was sie ändern können. Das erreicht kein Gutachten am Ende des Schuljahres.
Liebe Grüße croco