Freitag, 21. Juni 2024

2 Jahre 116 T Krieg in der Ukraine, 226 T Krieg in Gaza/Israel und: Blogparade Antifaschismus

H.s Großvater war in der SS. Darüber wurde kein Wort verloren. H. wunderte sich nur, wenn der Großvater am 20. April stramm stand, Hacken zusammen hieb und den Hitlergruß zeigte. Wohlgemerkt in den 60er Jahren noch.

In der Schule endete der Geschichtsunterricht Mitte des 19. Jahrhunderts. Kein Wort über das Dritte Reich, keine Lektüre im Deutschunterricht, die sich damit befasste. Erst während des Studiums kam H. mit der Problematik in Berührung, über jüdische Kommilitonen, die sich damals noch nicht verstecken mussten.

Am 31. März 1965 nahm Ernst Kirchweger an einer von der "Österreichischen Widerstandsbewegung" und einem "Antifaschistischen Studentenkomitee" organisierten Demonstration gegen Universitätsprofessor Borodajkewycz teil, der mit antisemitischen Äußerungen sich öffentlich positioniert hatte. Beim Zusammenstoß der Demonstranten mit rechtsradikalen Studenten wurde Kirchweger vor dem Hotel Sacher niedergeschlagen, worauf er zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Das bekam H. allerdings schon als Teenager mit.

Er hatte einen Schulleiter, der jedes Jahr den Schülern eine Ansprache hielt. Einmal machte er Edith Stein zum Thema, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass sie in Auschwitz ermordet wurde. Die Rede jedoch blieb im Gedächtnis haften.

Später als Lehrer machte H. mit seinen Klassen "Ausflüge" zum KZ Dachau, wobei sie von ehemaligen Häftlingen geführt wurden, die den Schülern drastisch an verschiedenen Stellen ihr Schicksal erläuterten. Der Geschichtsunterricht in der Hauptschule endete auch vor 1933.

Im Deutschunterricht las er mit seinen Schülern Paul Celans "Todesfuge", die viele Unterrichtsgespräche nach sich zog. Antisemitische oder -faschistische Äußerungen gab es bis dahin von Schülerseite noch nicht. Das begann sich jedoch langsam zu ändern, in dem Maße, wie Schüler:innen aus muslimischen Staaten in die deutsche Schule kamen. Erst abwertende Blicke, dann ab und zu ein judenfeidliches Statement.

Als H. dann selbst Schulleiter einer Schule mit 80% muslimischen Schüler:innen war, verbot es sich quasi von selbst, den Schulfrieden zu wahren statt über Antisemitismus zu reden. Man stieß bestenfalls auf feindlich schweigende Wände.

Das Problem musste anders angegangen werden, nämlich über das Grundgesetz und die Grundrechte, die alle für gut und verteidigungswürdig befanden. Und dann die provozierende Frage: Für wen gilt das nicht? Gilt das auch für jüdische Menschen?

Die Schüler:innen waren geteilter Meinung.

Mehr ging nicht, auch die Lehrpläne (Geschichte, Ethik, Religion, Deutsch) gaben nichs her.

Und dann ging H. in Rente. Im Leben nach der Schule wurde er aktiv, was die Bekämpfung des Antisemitismus betrifft.

Bild: pexels.com

Was geht in der Schule? Entsprechende Texte lesen, Ausstellungen besuchen, in NS Dokuzentren gehen, Orte der Erinnerung aufsuchen, am Besten mit Zeitzeugen, die es jedoch kaum mehr gibt oder mit deren Nachkommen.

Schwierig wird es immer bleiben, denn antisemitische/Faschismus verherrlichende Eltern bekommt man nicht in die Schule bzw. ins Boot.

2 Kommentare:

  1. Der Geschichtsunterricht der 8. Jahrgangsstufe der Mittelschule befasst sich nur kurz mit der NS-Zeit. Auch KZ-Besuche hinterlassen keinen nachhaltigen Eindruck, wenn die Schüler aus einem Kulturkreis entstammen, in dem Antisemitismus verankert ist. Unter der Oberfläche gärt so Einiges.

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  2. Ich unterrichte im GY in der Einführungsklasse und in der Oberstufe seit langem Schüler, die aus der Mittelschule zu uns kommen in Geschichte. Die bildeten an ihrer früheren Schule die Spitze. Ich bin regelmäßig erschrocken, wie wenig politisch-historische Bildung diese mitbringen. Ganz anders als die Realschüler übrigens. Die früheren Mittelschüler sind interessiert, wissen aber schlichtweg NIX. Derzeit habe ich eine Schülerin, die nach der 8. Klasse aus Kroatien nach Deutschland gekommen ist. Sie berichtete mir, dass sie begierig war, in der Schule etwas über den Staat, der ja ihre neue Heimat werden sollte, zu erfahren. Aber nichts, in Klasse 9 und 10 im M-Zweig habe man ausschließlich für den Abschluss geübt. Die anderen Schüler berichten ähnliches. Ich frage mich dann immer, mit welcher Grundlage die früheren Mitschüler aus der Mittelschule, die eine Ausbildung machen oder einen Quali haben, in die Welt hinausgeschickt werden. Deswegen halte ich übrigens die Verfassungsviertelstunde auch für eine gute Idee.Vielleicht wird man dadurch "gezwungen" den Schülern doch eine politische Grundbildung zu ermöglichen.

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