Jetzt in den Herbstferien hat sie vielleicht wieder Zeit gehabt, oder die Geschichte ist einfach zu schön.
Lieber Hauptschulblues,
hier eine weitere Geschickte für deinen Blog. Der Verein "Kick fair", der bei uns fest integriert ist, unterstützt bundesweit Schulen und hat verschiedene Ableger. Er ist sehr bekannt.
"Kick fair" hat ein Konzept entwickelt, das Fairness aufbauen soll. Gerade im Fußball ist das wohl nicht oft zu finden. Einen Vormittag lang spielen die Schüler der Jahrgangsstufe 5 Straßenfußball in der Turnhalle. Betreut werden sie dabei von einer 7. Klasse. Die älteren Schüler besprechen genau mit den Jüngeren die Regeln. Diese werden dann auf Plakaten festgehalten und kommen als Gedächtnisstütze an die Wand. Andere Siebtklässler haben in der Schulküche Obst in Schokolade und Waffeln vorbereitet, damit auch die Zuschauer nicht zu kurz kommen. Der Clou bei diesem Straßenfußball ist, dass nicht unbedingt die Mannschaft gewinnt, die die meisten Tore geschossen hat. Die Mannschaften bekommen auch noch viele Punkte für faires Spiel. Die Stimmung ist gelöst, die Spieler sind voller Begeisterung dabei. Kurz vor 13 Uhr steht der Sieger fest.
Kurz danach klopft es energisch an meine Bürotür. Ich schaue nach und sehe eine Gruppe Fünftklässler vor mir stehen. Einem kleinen Rotschopf hängt die Maske unter dem Kinn. Er ist komplett verheult und der Rotz tropft vom Kinn ab. "Du meine Güte, was ist denn da los?"
Der kleine Rotschopf bekommt ein Tempotaschentuch und eine neue Maske. Ein kleiner dunkelhaariger Schüler in roten Fußballerhosen und modischem sportlichem Haarschnitt (Vorbild offenbar Ronaldo?) deutet auf den Unglücksraben und erklärt ungerührt: "Ich habe ihm eine geknallt." "Warum denn das?" "Er ist aus der Turnhalle gerannt und hat geschrien: Sieger, Sieger! Da habe ich eine solche Wut gekriegt und ich musste ihm eine knallen." "Darf er sich nicht über seinen Sieg freuen?" "Wir hatten mehr Tore."
"Nun, das ist ein besonderes Spiel, es hat mit Fairness zu tun. Damit kann man Punkte sammeln. Da kann ganz schön was zusammenkommen, wenn man fair spielt und man kann dann sogar die Mannschaft besiegen, die die meisten Tore geschossen hat." Der kleine Ronaldo kneift die Augen zusammen. "Wo soll denn das stehen? Man muss Tore schießen. Dann kann ich mich doch gleich hinstellen und und zuschauen und gar nichts machen. Ich schenke die Tore her und dann bin ich Sieger."
Die Empörung wächst. "Das hat überhaupt nix mit Fußball zu tun." Die Kumpels nicken. Ich merke schon, dass ich schlechte Karten habe und versuche das Wort "Fairness" zu klären. "Ich trainiere in einer Mannschaft und das hat unser Trainer noch nie gesagt. Noch nie! Das ist Beschiss."
Nun versuche ich abzulenken. "Das war doch heute ein so schöner Tag. Der darf nicht so enden." Ich schwelge in den Highlights wie gute Stimmung, Waffeln,... Alle nicken, auch der Rotschopf, der sich beruhigt hat. Ich gratuliere ihm zum Sieg, die anderen Schüler nicken. Ronaldo ist nicht so schnell zu beeindrucken. Er kneift die Lippen zusammen. Dann geht er.
Die Klassenlehrerin greift das Thema am Folgetag nochmals auf. Man hat alles besprochen, aber in der Hitze des Gefechts ist wohl der Kampfgeist doch durchgegangen.
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